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Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Titel: Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Brady
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drei Bauern. Bobby wehrte sich tapfer gegen die unermüdlichen Attacken, bis Gligorić beim 32. Zug aufsah und fragte: »Remis?« Fischer nahm das Angebot sofort an. »Niemand opfert gegen Fischer eine Figur«, erklärte er nassforsch und grinste.
    Mit diesem Remis sicherte sich Bobby den sechsten Platz und damit die Teilnahme am Kandidatenturnier. Nie hatte sich ein derart junger Spieler für ein solches Turnier qualifiziert! In Portorož wurde Bobby auch der jüngste Internationale Großmeister aller Zeiten. So mancher nannte ihn danach den Mozart des Schachs. Die New York Times , die sonst eher zurückhaltend über Schach berichtete, überschüttete Bobby auf ihrer Kommentarseite mit Lob:
    EIN HURRA AUF BOBBY FISCHER!
    Schachfreunde im ganzen Land stoßen auf Bobby Fischer an und jubeln freudig mit. Mit 15 ist dieser Knabe aus Brooklyn der jüngste Internationale Großmeister des Schachs und hat sich für ein Turnier im nächsten Jahr qualifiziert, auf dem der Herausforderer des amtierenden Schachweltmeisters Michail Botwinnik ermittelt wird. Wer die bewegenden Partien Bobbys bei dem soeben in Jugoslawien beendeten Turnier verfolgte, weiß, dass er eine Demonstration von Können, Mut und Entschlossenheit ablieferte, die einem doppelt so alten Meister zur Ehre gereicht hätte. Wir sind zu Recht stolz auf ihn.
    Gerade einmal zwei Monate war Bobby im Ausland gewesen, doch er kam spürbar gereift zurück. Als ihn in Portorož ein Reporter fragte, ob er gern gegen den Weltmeister antreten würde, antwortete er: »Klar wäre es toll, gegen Botwinnik zu spielen. Aber noch sind wir nicht so weit. Vergessen Sie nicht, nächstes Jahr muss ich auf das Kandidatenturnier, bevor ich überhaupt daran denken kann, Botwinnik herauszufordern.« Nach einem Augenblick des Nachdenkens fügte er dann hinzu: »Eines jedenfalls steht fest. Ich werde Schach nicht zu meinem Beruf machen.«
    Bobby hatte sich in Moskau und Portorož herumgeschubst gefühlt, und 400 Dollar Entlohnung für sechs Wochen Turnierkampf empfand er als läppisch. »Jede Schachpartie schlaucht wie ein fünfstündiges Examen«, befand er. Er freute sich zwar über die Anerkennung als Internationaler Großmeister und über seinen Platz im Kandidatenturnier, aber er fragte sich auch, wie er je vom Schach leben können sollte. Außerhalb der UdSSR, wo Spitzenspieler dank staatlicher Unterstützung komfortabel lebten, kam kein Schachspieler mit seinen Preisgeldern über die Runden. In Amerika gab es zwar einige Schachprofis, aber die gaben nebenher Schachunterricht, spielten Schauturniere, betrieben Schachsalons, verkauften Schachgarnituren und schrieben gegen geringes Honorar Bücher und Zeitschriftenartikel.
    Es war ein prekäres Leben.
    Am Flughafen Idlewild (dem späteren John F. Kennedy Airport) warteten Regina, Joan und der Lektor Norman Monath auf Bobby. Monath arbeitete für Simon & Schuster und legte gerade letzte Hand an das erste Buch mit kommentierten Partien Bobbys. Als Regina ihren berühmten Sohn sah, stöhnte sie, »er ist ja dürr wie ein Zaunpfahl!«, und brach fast in Tränen aus. Anschließend nahmen die vier eine Limousine nach Brooklyn. Unterwegs besprachen Bobby und Monath das Buchprojekt. Sollte man das Buch später bringen und die 20 Partien des Interzonenturniers mit aufnehmen? In seiner ursprünglichen Konzeption sollte das Buch nur Bobbys Partien bei der amerikanischen Meisterschaft 1957 beschreiben, kommentiert von ihm selbst. Später beschloss man, auch die »Partie des Jahrhunderts« von 1956 noch mit aufzunehmen. Ursprünglich hatte der Arbeitstitel schlicht Dreizehn Partien gelautet. Wenn man nun das Interzonenturnier noch mit dazunahm, würde das Buch dicker (was nicht schaden konnte) und – vermutlich – attraktiver werden. Selbst mit den Partien in Portorož würde der schmale Band auf nicht mehr als 96 Seiten kommen.
    Daheim angekommen, sprang Bobby die drei Stockwerke hoch, packte schnell aus, gab seiner Mutter ein Halstuch, das er in Brüssel gekauft hatte (»Sieht kontinental aus«, schmeichelte er, als sie es anprobierte), und sauste wieder nach unten. Monath ließ ihn vor Collins’ Wohnung absetzen, und Sekunden später stürzten Bobby und Jack sich in die Analyse der Turnierpartien. Bobby blieb stundenlang. Stammgäste des Hauses schauten vorbei, um ihre Glückwünsche auszusprechen, etwas zu essen und die Niederlagen gegen Benko und Olafsson zu analysieren. Beschlossen wurde der Abend damit, dass Bobby gegen fast alle

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