Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer
gefragt worden, welchen Platz er belegen werde, dass er das serbokroatische Wort für »ersten« gelernt habe: prvi .
Während des Turniers trat Fischer regelmäßig in Skipullover und ungebügelter Hose auf, mit verfilztem, ungepflegtem Haar. Seine Kontrahenten hingegen trugen Anzug, Hemd und Krawatte und achteten peinlich auf ihr Äußeres. Schließlich spielte man unter den kritischen Augen Tausender Zuschauer, anfangs in Bled, danach in Zagreb und schließlich in Belgrad.
Bobbys Sekundant, der Däne Bent Larsen, sollte ihm als Trainer und Mentor zur Seite stehen, kritisierte seinen Schützling aber ständig. Vielleicht litt er noch unter der Demütigung, die Bobby ihm in Portorož zugefügt hatte. Larsen, der aussprach, was ihm durch den Kopf ging, verriet Bobby: »Die meisten Leute finden es unangenehm, gegen dich zu spielen.« Dann fügte er an: »Du gehst seltsam.« Möglicherweise eine Anspielung auf Fischers athletischen Gang nach jahrelangem Tennis, Schwimmen und Basketball? Und um sich auch ja keine Beleidigung verbeißen zu müssen, schloss er: »Außerdem bist du hässlich.« Bobby war überzeugt, dass Larsen das nicht im Scherz sagte. Die Beleidigungen »schmerzten« ihn, sein Selbstbewusstsein litt ein wenig.
Aber das lähmte seinen Kampfgeist keineswegs.
Bobby war noch immer wütend über die, wie er fand, respektlose Behandlung, die er ein Jahr zuvor in Moskau erfahren hatte. Und so schlüpfte er in die Rolle eines Gladiators im Kalten Krieg. Bei einer Gelegenheit erklärte er, alle sowjetischen Spieler des Turniers bis auf Smyslow seien seine Feinde. (Mit Smyslow, einem rothaarigen Russen, kam er gut aus.) Jahre später enthüllten freigegebene KGB-Akten, dass Bobby mit seiner Einschätzung recht gehabt hatte. Ein russischer Meister, Igor Bondarewski, schrieb, »Alle vier Sowjets taten alles in ihrer Macht, um den Emporkömmling zu bestrafen.« Tal und Petrosjan, enge Freunde, einigten sich bei allen ihren vier Partien früh auf Remis, um Kraft zu sparen. Solche sogenannten Großmeister-Remis – bei denen beide Seiten die Partie gar nicht gewinnen wollen und sich nach wenigen belanglosen Zügen auf ein Remis einigen – sind zwar nicht verboten, grenzen aber an Wettbewerbsverzerrung.
Angesichts dieser Absprache kam Bobby die Galle hoch. »Ich werde diesen dreckigen Russen eine Lektion erteilen, die sie lange nicht vergessen werden«, schrieb er aus dem Hotel Toplice. Mit diesem Beschluss begann ein lebenslanger Kreuzzug.
Bei seiner ersten Partie gegen Tal saß Bobby schon am Brett, als der 23-jährige Lette in allerletzter Sekunde auftauchte. Bobby stand auf, Tal reichte ihm die Hand zum Gruß. Tals Hand war stark deformiert: Zwei Finger fehlten, die restlichen drei waren übermäßig dick. Sie erinnerte stark an eine Klaue. Bobby, das muss man ihm lassen, zuckte nicht mit der Wimper. Er schüttelte Tal die Hand, und das Spiel begann.
Schon nach wenigen Zügen verschwand Bobbys gute Laune. Es irritierte ihn, wie Tal sich am Brett und abseits davon verhielt. Dieses Mal nervte ihn »das Starren«. Außerdem setzte Tal nach jedem Zug seines Gegners ein leicht ungläubiges Lächeln auf, als wolle er sagen: »Dummer Junge! Ich weiß, was du planst. Wie amüsant, dass du glaubst, du könntest mich überlisten.« Auch das sollte Bobby offenbar aus dem Konzept bringen.
Fischer beschloss, es ihm mit gleicher Münze zurückzuzahlen. Er versuchte Tal niederzustarren und warf ihm ein kurzes verächtliches Lächeln zu. Doch nach ein paar Sekunden brach er den Blickkontakt ab und konzentrierte sich auf Wichtigeres: das Geschehen am Brett, seinen Angriffsplan und seine Antworten auf Tals mögliche Pläne.
Tal bewegte sich unaufhörlich. Innerhalb von nur Sekunden führte er eine Schachfigur, notierte den Zug auf seinem Partieformular, beugte das Gesicht direkt vor die Schachuhr, um die Zeit zu prüfen, verzog das Gesicht, lächelte, hob die Augenbrauen und »schnitt Grimassen«, wie Bobby es ausdrückte. Dann erhob er sich und ging auf der Bühne herum, während Bobby nachdachte. Tals Trainer Igor Bondarewski beschrieb die Bewegungen seines Schützlings so: »Er kreiste um den Tisch wie ein Aasgeier. Der vermutlich nur darauf wartete zuzuschlagen.«
Tal war Kettenraucher und konnte während einer Partie eine ganze Packung wegrauchen. Er hatte auch den Tick, sein Kinn auf die Tischkante zu legen und durch den Figurenwald auf seinen Gegner zu schielen. Tal verhielt sich so bizarr, dass Fischer glaubte,
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