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Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Titel: Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Brady
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wird dann gerne herabgesehen, manchmal wird er sogar geschnitten, als ob er zu einer niedrigeren Kaste gehörte. Fischers Wertungszahl pendelte lang um 2780, Collins kam nie über 2400 hinaus; zwischen den beiden Werten lagen also Welten. Wäre der nominelle Abstand deutlich kleiner gewesen, hätte Bobby vielleicht nicht so abschätzig von Collins gedacht. Raymond Weinstein, ein starker Internationaler Meister und Schüler Collins’, schrieb, er habe ehrfürchtig zu Collins aufgesehen, bis er Bobbys abschätzige Bemerkungen über ihn gehört habe.
    Es fuchste Bobby, dass Collins als sein Lehrer Publicity bekam – und viele neue Schüler, die bei Collins die nächsten Fischers werden wollten. Vielleicht lag es ja an der Armut, die Bobby in seiner Kindheit erlebt hatte, auf jeden Fall hasste er die Vorstellung, dass jemand an ihm Geld verdiente. Der New Yorker Meister Asa Hoffmann drückte es einmal so aus: »Wenn jemand bereit war, für ein Bobby-Fischer-Autogramm 50 Dollar zu zahlen, und ein Vermittler sollte fünf Dollar bekommen, verlangte Fischer auch diese fünf Dollar. Bekam er sie nicht, war er bereit, die 50 Dollar zu opfern.«

5. Kapitel Der Gladiator des Kalten Kriegs

    M ichail Tals Basiliskenblick war berüchtigt. Mit seinen dunkelbraunen, fast schwarzen Augen fixierte er seine Gegner so durchdringend, dass so mancher das Gefühl bekam, Tal wolle ihn mit schierer Willenskraft zu einem schlechten Zug zwingen. Pal Benko, ein Amerikaner mit ungarischen Wurzeln, setzte bei einer Partie gegen Tal sogar einmal eine Sonnenbrille auf, um dem stechenden Blick zu entkommen.
    Nicht, dass Tal hypnotische Kräfte gebraucht hätte, um zu gewinnen. Der 23-jährige Lette war ein brillanter Spieler. Der zweimalige sowjetische Meister hatte das Interzonenturnier in Portorož 1958 gewonnen und galt damit als heißester Kandidat für den Einzug ins Finale um die Schachweltmeisterschaft 1960. Tals Stil war geprägt von wilden, originellen Kombinationen, intuitiven Opfern und Knalleffekten. Der gut aussehende, gebildete und vor Energie nur so strotzende Lette kam beim Publikum hervorragend an und war der Liebling der Schachwelt. Seine rechte Hand war verkrüppelt, doch sein Selbstbewusstsein litt darunter offenbar nicht.
    Fischer verfügte auch zunehmend über Selbstbewusstsein, sein Stil allerdings unterschied sich radikal von Tals: Bobby spielte luzide, kristallklar, ökonomisch, konkret, vernünftig. J. H. Donner, der überlebensgroße niederländische Großmeister, brachte den Kontrast auf den Punkt: »Fischer ist der Pragmatiker, der Ingenieur. Er begeht fast keine Fehler. Stellungen beurteilt er nüchtern bis pessimistisch. Tal ist einfallsreicher. Er muss sich ständig zügeln, um nicht übermütig zu werden.«
    Beim europäischen Publikum kam Bobby gut an, was sicher auch an seiner Jugend lag. In Jugoslawien, einem schachbesessenen Land, wurde er ständig von Autogrammjägern und Reportern bedrängt. Der 16-jährige Schlaks mit seiner – wie manche Europäer fanden – Westernkleidung wurde als »lakonisch wie der Held eines alten Westerns« beschrieben.
    Bobby hielt Tals Blick stand, als sie sich in Portorož zum ersten Mal am Brett begegneten. Die Partie endete remis. Drei Monate vor dem Kandidatenturnier trafen sie in Zürich wieder aufeinander, wieder spielten sie remis. Tal gewann das Turnier, Bobby wurde mit einem Punkt Rückstand Dritter. Aber beim Kandidatenturnier würde es um einen ungleich höheren Preis gehen: die Chance, gegen den amtierenden Weltmeister Michail Botwinnik um den Titel zu spielen – und Bobby war fest entschlossen, sich von einem durchdringenden Blick nicht aus dem Konzept bringen zu lassen.
    Das Kandidatenturnier fand in drei jugoslawischen Städten statt, unter der Schirmherrschaft von Marschall Josip Tito, einem leidenschaftlichen Amateur-Schachspieler. Die acht besten Spieler der Welt traten gegenei­nander an, jeder gegen jeden in jeweils vier Partien. Das Ganze würde über sechs Wochen dauern und enorm anstrengend werden. Vier Teilnehmer kamen aus der Sowjetunion: Michail Tal, Paul Keres, Tigran Petrosjan und Wassili Smyslow. Bobbys drei weitere Konkurrenten, Gligorić, Olafsson und Benko, gehörten ebenso zweifellos zur Weltspitze. Fischer war der einzige Amerikaner, und viele wussten ihn gar nicht recht einzuschätzen. In einem Moment jugendlichen Übermuts erklärte Bobby, er erwarte zu gewinnen. Der britische Schachjournalist Leonard Barden behauptete, Bobby sei so oft

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