Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer
Teilnahme am Kandidatenturnier hatte er gerade einmal 200 Dollar bekommen. Und wenn sich mit Turnieren kein Geld verdienen ließ, warum half ihm die Amerikanische Schachstiftung nicht? Sie unterstützte doch auch Reshevsky, zahlte ihm sogar ein Studium. Lag es daran, dass Bobby kein strenggläubiger Jude war und Reshevsky orthodox? Fast alle Direktoriumsmitglieder der Stiftung waren Juden. Übten sie sanften Druck auf Bobby aus, sich anzupassen? Wieder zur Schule zu gehen? Sahen sie auf ihn herab, weil er »nur ein Kind« war? Oder lag es an seiner Art, sich zu kleiden?
Noch den ganzen November und die ersten zwei Dezemberwochen wurde Bobby mit Telegrammen und Telefonanrufen bestürmt. Viele erkundigten sich, ob er beim Rosenwald-Turnier antreten und seinen Titel als amerikanischer Schachmeister zu verteidigen versuchen würde? Bobby wusste es selbst noch nicht. Schließlich kam Anfang Dezember ein Brief mit den Turnierdetails. Er listete die zwölf eingeladenen Spieler auf, alle Paarungen, alle Termine und sogar, welche Farbe welcher Spieler in welcher Runde hatte. Bobby schäumte. Normalerweise würden die Paarungen bei allen europäischen und den meisten internationalen Turnieren öffentlich ausgelost, schimpfte er laut.
Die Veranstalter des Rosenwald empfanden Bobbys Protest als Unterstellung, sie hätten bei der Auslosung gemauschelt und bestimmten Spielern einfache Gegner zugeschanzt. Sie reagierten empört. Bobby forderte: »Lost die Paarungen neu aus, aber diesmal öffentlich.« Die Veranstalter weigerten sich jedoch, worauf der 16-jährige Bobby mit einer Klage drohte. Der Streit eskalierte, und man teilte Bobby mit, wenn er sich zu spielen weigere, werde ein Ersatzspieler an seiner Stelle nominiert. Schließlich fand sich doch noch eine Lösung: Wenn Bobby diesmal antrat, würde die Auslosung im folgenden Jahr öffentlich erfolgen. Dieses Entgegenkommen reichte Bobby, er sagte zu. Er hatte die Schlacht gewonnen.
In der Vergangenheit hatte sich Bobby über die anhaltende Kritik an seinem Kleidungsstil geärgert. Ein Artikel in der Sonntagsbeilage Parade , die von Zigmillionen gelesen wurde, hatte ein Foto von ihm auf einem Simultanschaukampf gebracht, mit der Bildunterschrift: »Trotz seines Aufstiegs zum Ruhm kleidet Bobby sich noch immer leger. Man beachte seine Latzhose und sein Karohemd im Kontrast zu den Anzügen und Krawatten seiner Kontrahenten.« Er fühlte sich durch Sticheleien – und seien sie noch so sanft – gekränkt. Er fand, sie lenkten doch nur davon ab, wer er unbestreitbar war – nämlich Großmeister und US-Champion. Kritik empfand er als Majestätsbeleidigung, als Herabwürdigung des weltbesten Schachspielers.
Pal Benko, gegen den Bobby im Kandidatenturnier angetreten war, behauptete später, ihm gebühre der Verdienst, Bobby zu einem gepflegteren Auftreten überredet zu haben. Er brachte Bobby zu seinem Schneider im Klein-Ungarn Manhattans, wo der Teenager sich ein paar Maßanzüge machen ließ. Wie er sich maßgeschneiderte Anzüge leisten konnte, bleibt allerdings ein Rätsel. Vielleicht stammte das Geld aus einem Vorschuss für sein Buch Bobby Fischer’s Games of Chess , das 1959 herauskam.
Als Bobby im Dezember 1959 zur ersten Runde der US-Meisterschaften im Hotel Empire erschien, trug er einen perfekt sitzenden Anzug, ein maßgeschneidertes weißes Hemd, eine weiße Sulka-Krawatte und italienische Schuhe. Außerdem waren seine Haare gekämmt. Sein Auftreten hatte sich derart radikal geändert, dass man ihn kaum wiedererkannte. Verschwunden die Turnschuhe und Skipullover, die ungebändigten Haare, die Karohemden und die angeschmutzten Cordhosen. Erwartungsgemäß schrieb die Presse von einem »neuen Fischer«; sie interpretierte Bobbys neues Auftreten als Zeichen dafür, dass der Junge allmählich erwachsen wurde.
Seine Kontrahenten ließen sich ihr Erstaunen über Bobbys Verwandlung nicht anmerken. Sehr wohl staunten sie aber bald über etwas anderes: Der elegant gekleidete Bobby verlor im gesamten Turnier keine einzige Partie. Damit gelang ihm etwas nie Dagewesenes: Drei Mal hintereinander hatte Bobby die US-Meisterschaft gewonnen, ohne ein einziges Mal geschlagen worden zu sein.
Für diesen beeindruckenden Sieg erhielt Bobby 1000 Dollar Siegprämie. Die Finanzen der Familie verbesserten sich weiter, als Jacob Wender starb und seiner Tochter Regina 14 000 Dollar hinterließ.
Regina plante sorgsam, wie sie mit dieser – für die sparsame Familie – gewaltigen
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