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Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Titel: Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Brady
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Leistung zu bringen. Damals ging das Gerücht um (das sich noch Jahre hielt), Bobby habe sich bei mindestens einer Gelegenheit bis Sonnenaufgang mit einer argentinischen Schönheit vergnügt und sei müde und unvorbereitet zum nächsten Spieltag erschienen. Miguel Najdorf, ein argentinischer Großmeister und Lebemann, der am Turnier nicht teilnahm, führte Bobby in das Nachtleben der Stadt ein. Es scherte ihn offenbar nicht, dass die Leistung des Jungen darunter litt. Mit dem Übermut eines 17-Jährigen glaubte Bobby, genügend Energie und Konzentrationsfähigkeit zu haben, um selbst nach mehreren durchwachten Nächten noch gut spielen zu können. Leider fehlte ihm dann seine übliche Brillanz, als er später in höchster Bedrängnis am Brett saß.
    Was auch immer der Grund für Bobbys Versagen war – auf hartnäckiges Nachfragen antwortete er, die Beleuchtung sei schrecklich gewesen –, er hatte sich vom brillanten Dr. Jekyll in einen erschöpften Mr. Hyde verwandelt, einen Schatten seiner selbst. Im ganzen Turnier gewann er nur drei Partien, spielte elfmal remis und verlor fünfmal. Schock! Jeder spielt mal ein schlechtes Turnier. Aber bis dahin hatte Bobby sich über Jahre kontinuierlich verbessert und nur Wochen zuvor in Mar del Plata mit 13½ zu 1½ triumphiert.
    Die Schlappe traf Bobby hart. Dabei schmerzte es ihn besonders, dass ausgerechnet sein amerikanischer Erzrivale, Samuel Reshevsky, gemeinsam mit Viktor Kortschnoi den Sieg davongetragen hatte. Ein Gruppenfoto vom Ende des Turniers zeigt Bobby mit leerem Blick, abwesend. Er scheint weder seine Kollegen noch die Kamera wirklich wahrzunehmen. Wurmte ihn seine schwache Leistung? Oder ärgerte er sich eventuell über Exzesse, die ihn alle Siegchancen gekostet hatten?
    Bobby hatte zugesagt, bei der Schacholympiade 1960 in Leipzig als Nummer eins für die Mannschaft der Vereinigten Staaten anzutreten. Weil der amerikanische Schachbund angeblich kein Geld hatte, musste die Reise über Spenden finanziert werden. Eine landesweit tätige Spendensammlergruppe bat Bobby deshalb, bei einem Simultanschach-Schaukampf aufzutreten und auf die Finanznöte der Mannschaft hinzuweisen. Die Veranstaltung fand im Gefängniskomplex auf Riker’s Island statt, einer 1,6 Quadratkilometer großen Insel im East River. Zu jener Zeit saßen dort 14 000 Verurteilte ein. Bobby trat gegen 20 von ihnen an. Natürlich gewann er alle Partien.
    Zwar berichtete die Lokalpresse über die Veranstaltung, aber leider nicht über ihren Anlass: die Geldsorgen der amerikanischen Mannschaft. Weder Außenministerium noch amerikanische Schachorganisationen konnten helfen, doch Regina Fischer glaubte zu wissen, woher das Geld kommen könnte: von der amerikanischen Schachstiftung. Im Alleingang versuchte sie, die Medien auf die ihrer Ansicht nach skandalös einseitige Förderpolitik der Stiftung aufmerksam zu machen. Tatsächlich konnte sie auch belegen, dass manche Spieler (wie Reshevsky) tatkräftige Unterstützung bekamen, andere (wie Bobby) hingegen nicht. In Briefen an Regierungsstellen verlangte sie einen öffentlichen Rechenschaftsbericht der Stiftung. Vielleicht könnte sie die Stiftung ja so weit in die Defensive bringen, dass sie – quasi als Publicitymaßnahme – die Fahrt der Olympiamannschaft finanzierte?
    Bobby sehnte sich zwar danach, an einer Olympiade teilzunehmen, doch die Einmischung seiner Mutter trieb ihn zur Weißglut. Bei mindestens einer Gelegenheit tadelte er sie vor Publikum, als sie bei einer Schachveranstaltung öffentlich sprach. Sie wollte nur ihrem Sohn helfen, doch er empfand sie als überehrgeizige Nervensäge.
    Bei ihrer Kampagne gegen die Stiftung erregte Regina die Aufmerksamkeit von Ammon Hennacy, einem Pazifisten, Anarchisten und Gesellschaftsaktivisten. Hennacy, der stellvertretende Herausgeber der libertären Zeitung Catholic Worker , empfahl Regina, für ihre Sache in den Hungerstreik zu treten. Sechs Tage hielt sie durch – und bekam reichlich Publicity. Hennacy überredete sie auch dazu, sich dem längsten Friedensmarsch aller Zeiten anzuschließen, von San Francisco nach Moskau. Auf diesem Marsch traf Regina später Cyril Pustan, einen Highschool-Lehrer und reisenden Klempner. Sie hatten etliche Interessen und politische Ansichten gemein – und ihren jüdischen Glauben. Sie verstanden sich hervorragend, heirateten schließlich und zogen nach England.
    Als Bobby endlich die Lobby des Hotel Astoria in Leipzig betrat, wurde er von einem Mann

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