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Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Titel: Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Brady
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riesigen Inlandsgletschern bedeckt. Zu Land und vor der Küste erheben mehrere aktive Vulkane ihre feurigen Gipfel. Schneebedeckte Berge wie aus dem Bilderbuch ragen aus einem zerklüfteten, weitgehend baumlosen, lavabedeckten Gelände. Zu weiten Teilen wirkt die isländische Landschaft unwirklich, fast mondartig – und tatsächlich trainierten die amerikanischen Astronauten hier vor ihrem Flug zum Mond. 1972 lag das Durchschnittseinkommen der Isländer bei gerade einmal 2000 Dollar pro Jahr. Doch das Land war munter und kannte keine Umweltverschmutzung, keine Slums und praktisch kein Verbrechen.
    Was machte Island nun zur idealen Bühne für die Begegnung Fischer–Spasski? Zweifellos die Entschlossenheit der Bevölkerung, ihr Stolz, ihre Begeisterung. Isländer sind gebildet wie sonst kaum ein Volk dieser Erde, und sie lieben Schach als intellektuelle und kulturelle Betätigung. Die Sagen Islands gehören zu den großartigsten der Literatur. Ein Isländer liest durchschnittlich mehr Bücher im Jahr als irgendjemand sonst auf dieser Welt. Darüber hinaus spielt fast die ganze Bevölkerung Schach, genau wie in Russland. Was gäbe es eine bessere Beschäftigung für die unendlichen Winternächte, wenn draußen Atlantikstürme toben und eisiger Regen fällt, als daheim zu sitzen oder in einen gemütlich geheizten Club zu fahren und stundenlang Schach zu spielen?
    Im Laufe der Jahre hat in Island eine Vielzahl internationaler Turniere und Begegnungen stattgefunden, und die Chance, das als »Match des Jahrhunderts« angepriesene Duell auszurichten, elektrisierte Schachspieler im ganzen Land. Tatsächlich sollte sich die Begegnung später als einer der bestorganisierten Titelkämpfe aller Zeiten erweisen. Isländer, ausländische Schlachtenbummler und die versammelte Weltpresse waren begeistert. In fast allen Schaufenstern fanden sich Riesenfotos von Spasski und Fischer, Schachfiguren aus Pappmaschee oder Tücher mit Schachbrettmuster.
    Ursprünglich standen die meisten Einheimischen auf Fischers Seite, doch bald waren alle von Bobby, seinen Drohungen und ganz allgemein seinen Capricen genervt, und die Stimmung neigte sich eher dem Gentleman Spasski zu. Fischer mäkelte unter anderem über das Preisgeld. Der Gewinner sollte 78 125 Dollar erhalten, der Verlierer 46 875, darüber hinaus sollten beide Teilnehmer 30 Prozent der Erlöse aus dem Verkauf von Film- und Fernsehrechten erhalten. Doch Fischer verlangte außerdem 30 Prozent aller Eintrittsgelder. Er fand, von der erwarteten Viertelmillion Dollar an Eintrittsgeldern stehe ihm und Spasski auch etwas zu.
    Die isländischen Schach-Offiziellen fanden das frech, schließlich mussten sie aus den Geldern alle Kosten der Turnierausrichtung und die Siegprämien bestreiten. Sie fürchteten ohnehin Schwierigkeiten, die 3000 Zuschauer fassende Laugardalshöll regelmäßig zu füllen, 24 Runden lang, ganz zu schweigen von den Extraterminen für die Beendigung von Hängepartien.
    Am Abend des 25. Juni stornierte Fischer dann urplötzlich seinen Flug nach Island. Die Fluglinie hatte eine ganze Sitzreihe für ihn reserviert und frische Orangen geladen, um Fischer auf dem vierstündigen Flug über den Atlantik Saft anbieten zu können, der, wie er gefordert hatte, »vor seinen Augen gepresst wurde«. Unterdessen schacherten Bobbys Anwälte, Paul Marshall und Andrew Davis, weiter mit dem isländischen Schachbund um die Verteilung der Eintrittsgelder. Beide Seiten blieben stur. In der folgenden Woche buchte und stornierte Fischer immer wieder Flüge. Allmählich fragten sich alle, ob er jemals kommen würde. Eine isländische Zeitung titelte: HVENAER KEMUR HINN DULARFULLI FISCHER? (WANN KOMMT DER MYSTERIÖSE FISCHER?) Ein paar Tage, nachdem Fischer seinen ersten Flug storniert hatte, fuhren Bobby und Davis zum internationalen Flughafen John F. Kennedy, offenbar, um einen PanAm-Flug zu nehmen. Doch seltsamerweise ging Bobby, schon im Terminal, einen Wecker einkaufen. Dabei wurde er von Pressevertretern gesichtet – über 100 Journalisten und Fotografen waren am Flughafen erschienen, um Bobbys Abreise zu dokumentieren. Bobby floh daraufhin aus dem Terminal und verpasste den Flug. Später sah man ihn in einem nahe gelegenen Restaurant zu Abend essen. Wann würde der mysteriöse Fischer nun nach Island kommen?
    Obwohl die Kontroverse sich zwar vordergründig ums Geld drehte, ging es nicht nur um Dollar (oder Kronen). Sondern darum, ob Bobby sich durchsetzte. In diesem Fall war er sich

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