Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer
Gute, und ich tue das auch.«
Nach zehnminütigem Telefonat versprach Bobby, »unter allen Umständen zu spielen«, die Interessen der USA hätten Vorrang vor seinen eigenen. In diesem Moment sah Bobby sich nicht als kleinen Schachspieler, sondern als Soldaten für sein Land.
Nach Monaten nervtötender Verhandlungen hatte der Millionär Slater, mit Unterstützung des Diplomaten Kissinger, das Unmögliche geschafft. Was waren Bobbys Beweggründe? Offenbar spielten drei Elemente eine Rolle: Stolz, Geld und Patriotismus.
Fischer wurde unbeobachtet von Reportern und Öffentlichkeit in ein Flugzeug der isländischen Linie Loftleiðir geschmuggelt. Er reiste mit dem sechs Jahre älteren William Lombardy, den er am gleichen Tag als offiziellen Sekundanten gemeldet hatte. Lombardy, der große, bleiche, leidenschaftliche katholische Priester, war im Reykjaviker Drama vielleicht der wichtigste Nebendarsteller. Der 35-Jährige war der erste Schachmeister internationaler Bedeutung im Dienst der katholischen Kirche, seit Ruy Lopez im 16. Jahrhundert und Domenico Ponziani im 18. Jahrhundert dem Spiel ihren Stempel aufgedrückt hatten.
Die Auslosung, wer welche Farbe spielen würde, war für Mittag im Hotel Esja angesetzt. Hunderte Journalisten kamen, außerdem Funktionäre der drei beteiligten nationalen Schachverbände. Als Spasski kam, erfuhr er, dass Fischer noch schlief und Lombardy geschickt hatte, ihn bei der Auslosung zu vertreten. Irritiert weigerte sich Spasski, eine Farbe zu ziehen, und verließ schmollend das Hotel. Wenig später betonte er beim Mittagessen einem Reporter gegenüber, dass er »den Wettkampf nicht aufgegeben hat«, allerdings habe Fischer sich unkorrekt verhalten. »Ich will noch immer spielen«, sagte er, »aber ich entscheide, wann.« Dann gab er folgende Erklärung heraus, die ihm vielleicht von Moskau diktiert worden war:
Die sowjetische Öffentlichkeit und ich persönlich sind höchst empört über Fischers Verhalten. Nach allgemeinen Höflichkeitsstandards hat er sich selbst disqualifiziert, und zwar völlig.
Deshalb hat er meiner Ansicht nach sein moralisches Recht, in diesem Wettkampf anzutreten, aufs Spiel gesetzt.
Soll es noch eine Hoffnung auf Austragung des Wettkampfs geben, muss Fischer zuerst einer gerechten Strafe zugeführt werden. Erst danach kann ich mich der Frage zuwenden, ob es möglich ist, den Wettkampf durchzuführen.
Boris Spasski
Weltmeister
Die Sowjets verlangten als Strafe, dass die erste Partie kampflos an Spasski ginge. Die sowjetische Delegation forderte darüber hinaus:
Robert Fischer muss sich entschuldigen.
Der Vorsitzende der FIDE muss das Verhalten des Herausforderers verurteilen.
Der Vorsitzende der FIDE muss zugeben, dass die Verschiebung um zwei Tage die Regeln der FIDE verletzte.
Dr. Euwe zeichnete sich in dieser verzwickten Lage erneut aus. Demütig erklärte er, da zwei der Forderungen direkt an ihn gerichtet seien, wolle er gerne sofort eine Erklärung abfassen, in der er einräume, die Regeln gebrochen zu haben. Außerdem wolle er Fischers Verhalten rügen, »nicht nur das der vergangenen zwei Tage, sondern sein Verhalten während der gesamten Verhandlungen«. Etwa zehn Minuten feilte er an dem Text, während das Publikum voller Mitgefühl wartete. Dann verlas er sein Eingeständnis, unterschrieb es und reichte es Efim Geller, Spasskis Sekundanten. Darin hieß es: »1. Die FIDE verurteilt das Verhalten des Herausforderers. Durch seine Verspätung ließ er die gesamte Delegation und andere im Zweifel, ob der Wettkampf überhaupt stattfinden würde. Dadurch verursachte er viele Probleme. 2. Der Präsident der FIDE räumt ein, dass wir den Beginn des Wettkampfs um zwei Tage verschieben mussten. Damit verletzten wir die FIDE-Regeln. Ich denke, das geschah aus besonderen Gründen und auf Grundlage mehrerer Annahmen, die sich im Nachhinein als falsch herausgestellt haben. Ich versichere, dass die FIDE-Regeln und die Vereinbarungen für diesen Wettkampf in Zukunft strikt eingehalten werden.« Euwes Gesicht war vor Scham gerötet, er schien den Tränen nahe. Die Sowjets bestanden darauf: Den Regeln zufolge hätte Fischer disqualifiziert werden müssen, als er am Eröffnungstag nicht erschien. Nur dank ihrer Gutwilligkeit ginge der Weltmeisterschaftskampf überhaupt noch weiter. Jetzt sei Fischer am Zug.
In der folgenden Nacht verfasste Fischer eine liebenswürdige Entschuldigung. Der Journalist Brad Darrach behauptete später in Life , dass Fischer im
Weitere Kostenlose Bücher