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Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Titel: Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Brady
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ziemlich sicher, dass man seine Forderungen erfüllen würde. Wie ein Kommentar in der New York Times richtig bemerkte: »Wenn er in Reykjavik antritt und gewinnt – wofür die Chancen hervorragend stehen –, kann er ein Vielfaches des Preisgeldes verdienen, um das es jetzt geht.« Fischer war das natürlich klar. Er wusste aber auch, dass die Welt nach diesem Ereignis lechzte. Wenn er noch ein bisschen zögerte, würde er vielleicht noch ein bisschen mehr herausholen.
    Die Weltöffentlichkeit war, um es milde auszudrücken, nicht amüsiert. Ausländische Zeitungen spiegelten den Zorn ihrer Leserschaft wider. RUSSEN VERACHTEN FISCHER FÜR SEINE GELDGIER, schrie eine Schlagzeile der New York Times . TASS, die sowjetische Presseagentur, kommentierte: »Bei Fischer steht immer das Geld im Vordergrund, nicht der Sport. Typisch: Er umgibt sich nicht mit Schachspielern, sondern mit Anwälten, die er mit all seinen Angelegenheiten betraut.« Die auflagenstärkste Sonntagszeitung Deutschlands, Bild am Sonntag , schrieb: »Fischer hat Schach auf das Niveau eines Wrestling-Kampfes heruntergezogen. Solche Arroganz, solchen Snobismus haben wir noch nicht erlebt.« Die London Daily Mail fand: »Bobby Fischer ist ziemlich sicher das ungehobeltste, launischste und neurotischste Balg, das je in Brooklyn aufgezogen wurde. Bei diesem Kampf ums internationale Prestige hat die Sowjetunion den Auftakt mit 10 zu 0 gewonnen.« Was die Presse – und offenbar alle anderen – nicht verstanden: Nicht Launen oder Neurosen ließen Bobby schwanken, sondern sein Geschäftssinn. Er wusste instinktiv, dass das Preisgeld immer weiter wuchs, je länger er wartete.
    Bobby glaubte, die Journalisten interessierten sich nicht wirklich dafür, wie oder warum er die Schachfiguren führte, sondern nur für den Skandal, die Tragödie und Komödie seines Lebens. Die Presse war ihm ein unergründliches Rätsel. Er glaubte, auf eine direkte Frage nicht lügen zu dürfen. Wenn er eine Antwort aber rundweg verweigerte, dachte er, würde sein Gegenüber annehmen, er hätte etwas zu verbergen.
    Erste Gerüchte, Bobby sei Antisemit, kamen schon 1958 in Portorož auf. 1968, als er in Netanya (Israel) spielte, leugnete er den Vorwurf kategorisch. Einer der engsten Freunde Bobbys, Anthony Saidy, sagte allerdings, vor der Weltmeisterschaft 1972 hätte er nie eine antisemitische Bemerkung Bobbys gehört.
    Auch während der Veranstaltung gab Bobby nichts Antisemitisches oder Antiamerikanisches von sich. Ganz im Gegenteil schien er zutiefst patriotisch, und viele seiner Freunde, Anwälte und Kollegen waren Juden. Doch Wilfrid Sheed, ein amerikanischer Romanautor und Essayist, schrieb kurz vor Ende des Matches zwei äußerst hellsichtige Sätze. Er hatte für die New York Times Book Review ein Werk des Dichters Ezra Pound besprochen. In seinem Artikel verglich er Bobby mit Pound, dem berüchtigten Antisemiten und Anti-Amerikaner, der nach dem Zweiten Weltkrieg wegen Vaterlandsverrats vor Gericht kam. Sheed schrieb: »Über Ezra Pound wie über Bobby Fischer kann man – ohne zu lügen – nur eine positive Sache sagen: Ihre Kollegen bewundern sie. Alle anderen haben keinen Grund dazu.«
    Als am Samstagabend, dem 1. Juli, im isländischen Nationaltheater der Weltmeisterschaftskampf feierlich eröffnet wurde, hatten Reporter und Zuschauer schon ihre Rückreise organisiert: In weniger als 24 Stunden sollte die erste Partie beginnen, doch Bobby war noch nicht hier. Bobby war aus dem Yale Club zu Anthony Saidy gezogen, der noch in der Villa seiner Eltern wohnte. Saidy erzählte später, das Anwesen in Queens sei von Presseleuten geradezu belagert worden. Fischer wurde mit Anrufen und Telegrammen bestürmt; Fotografen und Journalisten lauerten darauf, nur einen Blick auf ihn zu erhaschen. Fischer-Schlagzeilen beherrschten die Titelseiten der Weltpresse und verdrängten so nebensächliche Ereignisse wie die Nominierungen für die amerikanische Präsidentschaftswahl 1972.
    Saidy munkelte, es gebe eine Verschwörung, die Fischer daran hindern sollte, Weltmeister zu werden. So werde etwa das Telefon in Bobbys Wohnung abgehört. »Einmal telefonierte Bobby gerade mit Davis in Island«, sagte Saidy. »Bobby nannte einen Offiziellen des isländischen Schachbunds ›dumm‹. Da hörte er, wie eine Frauenstimme in der Leitung sagte: ›Er sagte, er sei dumm.‹ Offenkundig wurde das Gespräch abgehört.« Davon war Fischer überzeugt.
    Natürlich, alles ist möglich. Einige

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