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Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Titel: Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Brady
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Amerikaner, darunter auch Fred Cramer aus Bobbys Team, glaubten, die Isländer hätten sich unter der Hand mit den Russen verschworen, Fischers Angriff auf die sowjetische Schachhegemonie abzuwehren. Tatsächlich konnten einige isländische Funktionäre Bobby nicht leiden, Thorarinsson etwa, aber es fand sich nie ein Indiz dafür, dass sie versucht hätten, Fischer auf seinem Weg auf den Schachthron zu stoppen. Die meisten isländischen Funktionäre hielten ohnehin Spasski für den besseren Spieler, der Bobby relativ mühelos besiegen würde. Sie hofften darauf, Fischer am Brett gedemütigt zu sehen.
    Bei der Eröffnungszeremonie wurde nicht ausgelost, wer bei der ersten Partie welche Farbe hatte, und auch sonst lief nicht alles wie geplant. Spasski saß in der ersten Reihe, elegant im grau karierten Anzug mit Weste. Doch ein anderer Platz in der ersten Reihe, auf dem Fischer hätte sitzen sollen, blieb gähnend leer. Während vorn Reden geschwungen wurden, auf Englisch, Russisch und Isländisch, zappelte das Publikum unruhig herum und drehte die Hälse immer wieder Richtung Seiteneingang. Alle hofften, dass Fischer jeden Moment seinen großen Auftritt haben würde. Doch die Tür blieb zu.
    Dr. Max Euwe als Vertreter der FIDE gewährte Fischer zwei Tage Aufschub. »Wenn er Dienstag um zwölf Uhr mittags nicht zur Auslosung erscheint, verliert er all seine Rechte als Herausforderer«, kündigte er an.
    Fischer blieb scheinbar ungerührt. Er verlangte 30 Prozent der Eintrittsgelder und würde nicht eher nach Island anreisen, als bis seine Forderungen erfüllt wären. Hunderte Eintrittskarten wurden zurückgegeben, Bestellungen storniert. Menschen, die aus ganz Island angereist waren, um die erste Partie zu sehen, und nicht mitbekommen hatten, dass sie abgesagt war, mussten enttäuscht wieder abziehen. Dann lief ein Gerücht durch das Pressekorps von etwa 200 akkreditierten Reportern und Fotografen, dass Fischer bereits auf der Insel angekommen sei – und zwar in einem U-Boot der Marine. Aktuell verstecke er sich irgendwo auf dem Land, um dem Pressetrubel zu entfliehen. Und obwohl an dem Gerücht absolut nichts dran war, berichteten etliche Zeitungen und Agenturen darüber. Selbst die große alte Dame New York Times griff es auf und nannte es zumindest eine Möglichkeit .
    Der sowjetische Schachbund beschwerte sich bei der FIDE wütend über die Gnadenfrist von 48 Stunden und forderte Bobbys »bedingungslose Disqualifikation«. Die Sowjets gingen Euwe als den Verantwortlichen direkt an und warnten ihn, wenn Fischer auch am 4. Juli mittags nicht erschiene, würde man die Titelkämpfe als »beendet« betrachten. Schließlich retteten zwei völlig unerwartete Telefonanrufe das Match. Der eine kam aus England, der andere aus Washington D.C.
    Der Journalist Leonard Barden rief die isländischen Organisatoren mit der Nachricht an, der britische Financier James Derrick Slater, ein Schachliebhaber und Investmentbanker, sei bereit, 125 000 Dollar zu spenden und das aktuelle Preisgeld damit zu verdoppeln – wenn Fischer fest zusagte. Slater sagte: »Das ist mein Geld. Ich liebe Schach und habe es jahrelang gespielt. Viele wollen dieses Match sehen, alles ist vorbereitet. Wenn Fischer nicht nach Island kommt, werden viele enttäuscht sein. Ich will das finanzielle Problem Fischers lösen und sehen, ob er andere Probleme hat.«
    Fischers erste Reaktion war überschwänglich. »Großartig«, befand er. »Ich muss das einfach annehmen.« Später verriet er einem Journalisten, er habe das Angebot zwar nicht im Detail geprüft, sich aber entschlossen anzutreten. Schließlich »geht es hier um ein Mordsprestige für das Land«. Dennoch brauchte er noch einen letzten Anstoß, um ans Brett zu gehen.
    Diesen benötigten Schubs lieferte der zweite Anruf. Saidy nahm ab, wie die vorherigen 20 Mal an jenem Tag. Er erwartete eine weitere Bitte um eine Stellungnahme Bobbys oder ein Interview. Doch am anderen Ende sprach der persönliche Sekretär von Henry Kissinger, Präsident Nixons nationalem Sicherheitsberater (und späteren Außenminister). Bobby möge bitte ans Telefon kommen, Kissinger wolle mit ihm sprechen. Bobby schleppte sich zum Apparat, und Kissinger grüßte ihn in seinem unverwechselbaren deutschen Akzent: »Hier ruft der schlechteste Schachspieler der Welt den besten an.« Kissinger bat Bobby, nach Island zu fahren und die Russen in ihrem eigenen Spiel zu schlagen. »Die Regierung der Vereinigten Staaten wünscht Ihnen alles

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