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Endstadium

Endstadium

Titel: Endstadium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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aber dafür ist es eigentlich schon zu spät. Justus ist schon ein ganz anderer als der, mit dem Sie gesprochen haben. Er findet nur noch selten klare Gedanken. Ich muss ihn lenken, damit er überhaupt bei der Sache bleibt. Manchmal mahlt er im Mund die Worte, die er aussprechen möchte. Dann weiß ich, dass der Schmerz so von ihm Besitz ergriffen hat, dass er zu normalen Gedanken nicht mehr fähig ist. Was wollen Sie noch mit ihm bereden? Justus wäre es ziemlich egal, wenn gleich ein Atomkrieg ausbrechen würde. Verstehen Sie, was ich meine?«
    Stephan schluckte. Er war ihr dankbar, dass sie ihm die Gespräche mit Justus Rosell abnahm, und fühlte sich dennoch unwohl. Er bekam zu seinem Mandanten keinen Kontakt mehr.
    »Jeder, den eine solche Krankheit befällt, denkt: Warum ausgerechnet ich?«, fuhr sie fort. »Und jeder, der gesund ist, denkt, dass ihn ein solches Schicksal nicht ereilen wird. Aber all das ist müßig. Die Tatsachen sind, wie sie sind.« Sie seufzte. »Wir machen es wie besprochen: Ich rede mit meinem Mann, sobald es geht. Wir reden morgen. Vielleicht endet Ihr Auftrag hier schneller als erwartet. Genießen Sie den restlichen Tag mit Ihrer Freundin. Es ist nichts schöner als unbeschwert sein zu dürfen. Ein Geschenk des Himmels!« Sie lächelte.
    Stephan erhob sich.
    »Sagt Ihnen der Name Polloschek etwas?«, fiel ihm ein.
    »Polloschek? Nein.«
    »So nannte sich der Mann, der aller Wahrscheinlichkeit derjenige war, der gestern hier das Grundstück beobachtet hat. Er wohnte mit seiner Frau, vielleicht auch nur mit einer Bekannten, im Villa del Conde. Meine Freundin und ich gehen davon aus, dass er sich gezielt an uns herangemacht hat. Wie es aussieht, ist er heute Morgen abgereist. Wie er wirklich heißt, wissen wir nicht. Polloschek jedenfalls nicht. Aber vielleicht hat er unter diesem Namen Kontakt zu Ihnen gesucht?«
    Frau Rosell überlegte.
    »Nein, mir sagt der Name nichts. Wie gesagt, er war schon einen Tag zuvor an unserem Haus. Aber ich habe ihn auch nur kurz wahrgenommen. Er fiel mir nur durch seine Korpulenz auf. Mehr nicht.«
    Sie verabschiedeten sich.
    Stephan rief Marie über Handy an, während er den Weg aus der Sackgasse heraus bis zur Querstraße nahm und von dort die Stufen zur Küstenpromenade hinunterging. Sie verabredeten sich unterhalb der Hotelanlage. Marie hatte ihre neue Kamera mitgenommen. Sie schlenderten über die Promenade bis zum Leuchtturm von Maspalomas, fotografierten hier und da, gingen dann wieder zurück bis zu der kleinen Bucht mit dem Sandstrand, auf dem sich Hunderte von Touristen tummelten. Sie mieteten einen Sonnenschirm, blieben bis in die Abendstunden und fotografierten abschließend von der Promenade aus die untergehende Sonne. Der Horizont färbte sich gelb und rot. Es war ein Bild voller kräftiger Farben und scharfer Kontraste. Es war ein Bild des Lebens.
     
     

12
    Am nächsten Morgen rief Frau Rosell an. Sie habe mit ihrem Mann gesprochen. Knobel solle versuchen, sich mit dem Anwalt von Hobbeling zu einigen.
    »Tun Sie alles, dass es nicht zu weiteren Streitigkeiten kommt. Sie haben dazu alle Vollmachten.« Sie sprach energisch, dann brach sie ein und schluchzte am Telefon. »Bitte regeln Sie das in unserem Sinne, Herr Knobel! Telefonieren Sie mit Rechtsanwalt Schreiber! Ich werde auch den Journalisten des Magazins bitten, zurückhaltender zu sein. Muss denn aus allem ein Geschäft gemacht werden?«
    »So ist die Welt«, antwortete Stephan hilflos. »Kann ich für Ihren Mann noch etwas tun?«
    »Bitte bremsen Sie nur die Maschinerie! Wir haben uns verrannt.«
    Dann hängte sie weinend ein.
     
    Stephan rief den gegnerischen Rechtsanwalt an.
    »Wie stellen Sie sich denn eine Einigung vor?«, fragte Dr. Schreiber erstaunt, als Stephan geendet hatte.
    »Vielleicht sprechen Sie zunächst mit Ihrem Mandanten«, schlug Stephan vor und bat um baldigen Rückruf.
     
    Die Antwort kam eineinhalb Stunden später.
    »Die Sache wird nicht billig für Ihren Mandanten – bei allem Bedauern für seine bemitleidenswerte und aussichtslose Situation. Herr Hobbeling wird in seiner Praxis bereits von Patienten auf den Zeitungsartikel angesprochen. Und einige Patienten haben ohne Angabe von Gründen bereits vereinbarte Termine abgesagt. Was dahinter steckt, liegt auf der Hand. – Also: Wir reden über Wiedergutmachung in jeder Hinsicht, und das heißt auch Schadenersatz für Jens Hobbeling. Sie wissen, dass der Tod Ihres Auftraggebers die Sache nicht beendet.

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