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Endstadium

Endstadium

Titel: Endstadium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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angezogen hatte. Königsblauer, glatter Stoff. Sie schlug die Beine übereinander, streifte den Rock glatt und stellte ihre lederne, schwarz glänzende Handtasche seitwärts auf den Boden.
    »Ich danke für den schnellen Termin«, sagte sie.
    Herr Schwamhof lächelte unsicher.
    »Sie haben es ja dringend gemacht – und wir sind für die Kunden da – also auch für deren Anwälte.«
    »Es geht darum, dass sich Herr Rosell noch einen Überblick verschaffen kann«, sagte sie. »Er befindet sich im Endstadium seiner Krankheit. Es gibt keine Hoffnung mehr, und es stellt sich für ihn die Frage, ob er vor seinem Ableben noch Verfügungen ändert. Es geht dabei insbesondere auch um seine notleidende Firma.«
    Herr Schwamhof hob interessiert die Augenbrauen.
    »Ich brauche einen Überblick über die bestehenden Versicherungen«, fuhr Marie unbeirrt fort.
    »Ja, sicher«, bestätigte Herr Schwamhof freundlich. »Sie hatten ja angekündigt, diese Information zu benötigen.«
    Er schwenkte den Bildschirm auf seinem Schreibtisch, damit Marie die Information sehen konnte.
    »Das ist der Vorteil der virtuellen Akte. Man hat alle Informationen sofort griffbereit. – Aber ich drucke Ihnen selbstverständlich alles aus«, versicherte er, stand auf und beugte sich vor. Er tippte mit dem Kugelschreiber auf die dritte Zeile der tabellarischen Auflistung.
    »Hauptsächlich dürfte es um diese Lebensversicherung gehen«, erklärte er. »Herr Rosell hat sie vor vier Jahren abgeschlossen und bedient sie monatlich mit hohen Prämien. Sie ist in 15 Jahren zur Auszahlung fällig. Im Erlebensfalle bekommt er das Geld, wovon angesichts des Leidens Ihres Mandanten nicht mehr auszugehen ist. Im Todesfall ist seine Frau Begünstigte. Sogar unwiderruflich. Rosell darf also nachträglich keine andere Person begünstigen. Allerdings steht die Begünstigung der Frau unter der auflösenden Bedingung, dass das Bezugsrecht entfällt, wenn die Ehe gescheitert ist. Scheitert die Ehe, gibt’s kein Geld. – Soweit klar?«
    »Selbstverständlich«, säuselte Marie. »Und wenn Sie mir bitte die Höhe der Versicherungsleistung nennen …«
    »Eineinhalb Millionen«, antwortete Herr Schwamhof, setzte sich wieder und behielt Marie im Visier.
    Der Kaffee kam. Er gab Zucker in seine Tasse und rührte langsam.
    Marie sah weiter auf den Bildschirm.
    »Für einen Ausdruck wäre ich dankbar. – Und die anderen Versicherungen?« Sie blickte wieder auf.
    »Ansonsten hat Herr Rosell auch umfangreich auf Versicherungsschutz in den anderen Bereichen zurückgegriffen, soweit dieser über unser Haus mit angeboten wird. Unfallversicherung, Feuerversicherung und so weiter. Sie wissen schon, was ich meine. Aber diese Versicherungen, denke ich, werden Sie nicht interessieren.«
    »Nein!« Marie wandte den Blick nicht ab.
    »Es geht im Wesentlichen um den Joker, nicht wahr? Die dicke Lebensversicherung mit den anderthalb Millionen …« Er schaukelte behaglich in seinem Schreibtischsessel. »Da hat Herr Rosell, oder besser gesagt Frau Rosell, Glück und Pech zusammen.«
    Er lächelte gedehnt.
    »Nehmen Sie doch bitte Ihren Kaffee, Frau Schwarz. Sie trinken ja gar nicht.«
    »Eher Pech«, sagte sie hastig und schlürfte den Kaffee.
    »Warum war der Termin so dringend?«, fragte Schwamhof.
    »Sagen Sie: Rauchen Sie, Herr Schwamhof?«
    »Nein«, sagte er erstaunt.
    »Es riecht hier etwas nach Zigarre. Schwer und süßlich.«
    »Das sind Hinterlassenschaften meines Vorgängers. Er ist vor einigen Wochen aus unserem Unternehmen ausgeschieden. Den Gestank bekommt man nicht so schnell raus. Ich habe sein Dezernat beerbt.«
    Maries Augen begannen zu leuchten.
    »Ein dicker, etwas gedrungener Mann, Mitte 60, in seiner Art etwas – sagen wir – ruhrpöttisch?«
    »Ruhrpöttisch?«, Herr Schwamhof lachte. »Was auch immer ruhrpöttisch ist: Ich bin mir sicher, dass Sie Herrn Schürmann meinen.«
    »Und er hat eine Frau, die äußerlich zu ihm passt?«
    »Nun, ja.« Herr Schwamhof überlegte. Er musterte Marie eine Weile. »Ich denke, Brigitte ist so, wie Sie sagen«, antwortete er schließlich. »Sie arbeitet in unserem Hause in einer anderen Abteilung.«
    »Und Herr Schürmann war Sachbearbeiter für Rosells Versicherungen?«, fragte Marie weiter.
    Schwamhof zögerte wieder. Marie wurde unsicher. Zweifelte Schwamhof an ihr? Sie trat die Flucht nach vorn an. Aus ihr sprudelte heraus, was sie wusste. Sie erzählte von dem Zusammentreffen im Villa del Conde, von Stephans Beobachtungen

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