Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Endstadium

Endstadium

Titel: Endstadium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
Vom Netzwerk:
Stephan. »Er kann tatsächlich zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages noch gesund gewesen sein.«
    Schürmann nahm einen tiefen Zug aus dem Bierglas und wischte mit dem Handrücken den Schaum von seinen Lippen.
    »Geschenkt, Herr Knobel!« Schürmanns Stirn glänzte schweißnass. »Einige Zeit später fühlte sich Rosell unwohl, dann folgte die erste Untersuchung, dann die zweite mit dem Todesurteil. Das Röntgenbild von der ersten Untersuchung wurde von Hobbeling nachweislich abgesandt, ist aber bei Rosell angeblich nicht angekommen.«
    »Das ist Pech für Rosell«, wandte Stephan ein.
    »Das zweite Röntgenbild zeigt den Tumor«, redete Schürmann unbeirrt weiter. »Dass die Diagnose katastrophal ist, blieb im Prozess unstreitig. Mehr noch: Hobbeling bestätigte sogar ausdrücklich das Ergebnis der zweiten Röntgenaufnahme. Deshalb wurde hier auch nichts sachverständig überprüft.«
    »Meinen Sie denn, dass das zweite Bild getürkt war?«
    »Ich habe im Prozess genau zugehört«, antwortete Schürmann. »Da wurden die Tumorwerte nochmals erklärt. Ich habe sie notiert, und wir haben das von einem Onkologen checken lassen. Die Werte sind als solche objektiv tödlich. Der medizinische Sachvortrag, den beide Parteien in dem Prozess gemacht haben, ist schlüssig. Wir gehen davon aus, dass es sich um ein echtes Röntgenbild eines todkranken Patienten handelt, aber eben eines anderen Patienten. Es steht nur der Name von Rosell drauf. Dass man das technisch hinkriegen kann, ist keine Frage. Und das erste Röntgenbild durfte es natürlich nicht geben. Hätte Rosell im Prozess das Bild vorgelegt, von mir aus auch wieder das eines anderen Patienten, vielleicht auch ein früheres desjenigen, von dem das zweite Röntgenbild gemacht wurde, hätte der Anwalt von Hobbeling im Interesse seines Mandanten bestritten, dass man zum früheren Zeitpunkt die Krankheit hätte feststellen können. Und prozessual, das wissen Sie, hätte ein Sachverständiger die Angelegenheit überprüft, was zwangsläufig dazu geführt hätte, dass dieser auch Justus Rosell selbst noch einmal untersucht hätte. Das durfte nicht passieren. Stattdessen also ein Prozess, in dem Rosell lautstark und medienwirksam seinen Arzt verklagte, aber letztlich scheitern musste, weil er den ihm obliegenden Beweis nicht führen konnte. Schöner Effekt: Dass Rosell angeblich todkrank ist, stand im Prozess als Wahrheit fest. Und so schrieben es die Zeitungen aus vollen Federn. Die Öffentlichkeit hatte Mitleid mit dem armen Justus Rosell, der seinen so nachvollziehbaren Hass auf Hobbeling und auch sein Sterben publizierte. Dieselbe Masche reitet er jetzt wieder. Hierbei haben auch Sie, Herr Knobel, eine Rolle zu spielen. Sie vertreten den Sterbenden, ordnen und glätten den absehbar neu aufflammenden Streit zwischen Rosell und Hobbeling.«
    Er holte eine zusammengefaltete Kopie des heutigen Zeitungsberichts aus der Brusttasche seines karierten Hemdes.
    »Kennen Sie den Artikel?«, fragte er.
    Stephan nickte.
    »Ich bin am Ball geblieben, Herr Knobel. Im Gegensatz zu meiner Firma«, verkündete Schürmann stolz. »Was ist die Konsequenz? Justus Rosell stirbt öffentlich und langsam. Er agitiert wieder gegen den vermeintlichen Übeltäter und einigt sich kurz vor seinem Tod mit ihm. Die Tiefbaufirma von Rosell geht den Bach runter. Ich habe ermittelt, dass Rosell nach und nach immer mehr Geld der GmbH entnommen hat, vielmehr, als es ein ordentlicher mit Gewinnerzielungsabsicht arbeitender Kaufmann jemals tun würde. Die Firma wird also ausgeblutet und das Geld privat angehäuft. Die hohe Lebensversicherung ist wirksam abgeschlossen, und der Tod wird langsam in die Wege geleitet. Begünstigte ist die Ehefrau, mit der Justus Rosell natürlich unter einer Decke steckt. Was sagen Sie dazu, Herr Knobel?«
    Er lehnte sich zufrieden zurück und leerte sein Glas in einem Zug. Frau Schürmann saß still dabei. Sie kannte die Schlussfolgerungen ihres Mannes genau.
    Stephan überlegte.
    »Löffke hat mit der Sache nichts zu tun«, sagte er.
    »Glaube ich«, antwortete Schürmann, »er ist ein bulliger Anwalt, der sich wie ein Elefant im Gerichtssaal bewegt. Er denkt auch nicht ernsthaft nach. Er prozessiert drauf los, und am Ende winkt gutes Geld. Stimmt’s?«
    Stephan staunte, dass Schürmann Löffke so gut durchschaut hatte.
    »Also?«, fragte Schürmann.
    »Ihre These geht von der Prämisse aus, dass Hobbeling Mittäter ist. Denn er musste ja mitspielen, indem er im Prozess

Weitere Kostenlose Bücher