Endstadium
seinen Grund, dass ich ihn stellen will, bevor er seinen Tod inszeniert.«
Schürmann ließ Stephan vor dem Villa del Conde aussteigen. Er hatte glasige Augen bekommen. Sein Kopf war schweißnass. Die Haare waren verklebt.
»Sie haben sich für die richtige Seite entschieden, Herr Knobel. Bleiben Sie an Bord! Steigen Sie in die Sache ein! Beobachten Sie Ihren Mandanten und seine Frau! Bleiben Sie Ihnen auf den Fersen! Sie hängen alle zusammen: Justus Rosell, Julita Rosell und Jens Hobbeling.«
Dann röhrte Schürmann mit dem alten Auto davon.
Stephan wechselte im Hotel die Kleidung. Es war 18.30 Uhr. Die Kellner entfernten die Kordel, die den Zutritt zum Restaurant versperrte, und die Hotelgäste strömten ein. Stephan aß nur wenig. Dann setzte er sich für eine Weile auf die Plaza. Das Hotel wartete mit nochmals verstärktem Einsatz deutschen Personals auf. Statt der üblichen Band sollte heute Flamencotanz geboten werden. Die Plaza füllte sich. Am Nachbartisch wurde das gewünschte Weißbier serviert. Als Stephan die Tänzerinnen mit ihren knallroten gerüschten Röcken auf die Bühne kommen sah, brandete der Beifall auf. Die Deutschen mochten das typisch Spanische. Stephan ging. Er durchquerte das weitläufige Areal der Hotelanlage, passierte die Pools, die einige der jungen Mitarbeiter, die tagsüber die Amateure gaben, mit langen Angeln und Wassersaugern reinigten. Stephan ging auf die Promenade und nahm den bekannten Weg zum Haus von Rosell. Es war dunkel. Der Atlantik schlug mit leisen Wellen an die tief unterhalb der Promenade liegenden Felsen. Oben machten die Touristen ihre den Tag beschließenden Spaziergänge. Lauer Wind, seichtes Meeresrauschen und der sich im Wasser verspielt spiegelnde aufgehende Mond. Das war das Bild, das man sich erträumte.
Etwa 150 Meter von Rosells Haus entfernt parkte der kleine von Schürmann gemietete Seat. Stephan schmunzelte. Der dicke Mann würde auf Posten sein.
Er klingelte am schmiedeeisernen Tor.
Frau Rosell öffnete überrascht. Sie trug ein blaues Sommerkleid und weiße Pumps.
»Es ist nichts Besonderes«, beruhigte Stephan. »Ich wollte einfach mal vorbeischauen.«
»Das ist nett«, erwiderte sie und ließ ihn lächelnd ein.
»Wenn Sie mögen, trinken wir ein Glas Wein. Es ist ein wunderbarer Abend. – Kommen Sie!«
»Wie geht es Ihrem Mann?«, fragte Stephan.
»Wie immer schlecht und immer schlechter. Vielleicht schläft er jetzt. Ich habe ihm ein stärkeres Mittel gegeben.«
Sie ging durch den dunklen Flur zu Rosells Zimmer und öffnete leise die Tür. Stephan folgte ihr und sah über ihre Schulter in den Raum, in dem nur eine zur Seite geschwenkte Nachttischlampe mit ihrem Halogenlicht gegen die Wand strahlte und das Zimmer indirekt erleuchtete.
Das Fenster zum Atlantik war geöffnet. Der Ventilator drehte träge an der Decke. Justus Rosell schlief. Sein Atem war flach und gleichmäßig. Frau Rosell wandte sich Stephan zu, als wollte sie fragen, ob er genug gesehen habe. Er nickte, und sie schloss leise die Tür.
Die Terrasse lag an der anderen Hausseite. Stephan fiel erst jetzt auf, dass das Haus mit einer rechtwinkligen Ecke zum Meer wies, sodass man sowohl von der Seite, an der das Zimmer von Rosell lag, als auch von der Terrasse aus aufs Meer blicken konnte.
Julita Rosell holte Gläser, etwas Gebäck und eine Flasche kanarischen Rotwein.
»Sie sollten den Wein meiner Heimat probieren«, fand sie. »Hier werden keine großen Mengen produziert, aber es ist ein außergewöhnlicher Wein«, erklärte sie und schenkte ein.
»Wie haben Sie den Tag verbracht, Herr Knobel? – Ich hoffe, Sie verstehen Ihre Zeit hier auch für die schönen Dinge zu nutzen.«
»Ich habe mir ein Auto gemietet und bin ein wenig herumgefahren«, sagte er gleichmütig.
»Ja, es lohnt sich, die Insel zu erkunden. Sie hat weit mehr zu bieten als die Strände. – Wo waren Sie?«
»Ich bin fürs Erste der Küste treu geblieben«, antwortete Stephan und blieb unbestimmt. Er war unvorbereitet. Stephan kannte die Insel nicht, würde nicht mit Ortsnamen aufwarten können außer dem einen, den er heute kennengelernt hatte, aber das sich abzeichnende Problem verflüchtigte sich sofort wieder.
»Sie müssen nach Puerto de Mogán fahren«, sagte sie. »Es ist ein wunderbarer Hafenort. Man kann sich kaum vorstellen, dass man das Fischernest noch vor einigen Jahren praktisch kaum auf der Straße erreichen konnte. Aber der Ort hat sich trotz des
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