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Endstadium

Endstadium

Titel: Endstadium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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einsetzenden Booms seinen Charme bewahrt. Es gibt einen traumhaften Jachthafen dort – und wissen Sie was?«
    Stephan schüttelte den Kopf.
    »Wir haben ein kleines Boot dort«, sagte sie, als verrate sie ein Geheimnis. »Ein richtiger Flitzer. Mein Mann hat das Boot vor rund zehn Jahren gekauft. Wir sind viel damit unterwegs gewesen, auch von einer kanarischen Insel zur anderen.«
    »Wann haben Sie es zuletzt benutzt?«, fragte er.
    Sie überlegte.
    »Wir waren vor einigen Wochen hier gewesen. Da ging es meinem Mann relativ gut. Aus heutiger Sicht war das so etwas wie ein letztes Aufbäumen. – Ja, da sind wir aufs Meer hinaus, und ich habe mir vorgenommen, mit ihm noch ein letztes Mal rauszufahren. Aber ehrlich gesagt sehe ich keine Möglichkeit mehr dazu. Ich weiß nicht, wie ich ihn von hier nach Puerto de Mogán befördern und auf das Boot kriegen soll.«
    »Er würde es wahrscheinlich auch nicht mehr fahren können«, sagte Stephan.
    In ihren Augen war ein flüchtiges Leuchten.
    »Er nicht, aber ich!« Sie lächelte verschworen. »Ich habe vor rund einem Jahr heimlich den Bootsführerschein gemacht. Es sollte eine Überraschung werden. Erstmals würde nicht mehr mein Mann der große Kapitän sein. – Nun ja …«
    Sie zuckte mit den Schultern und trank. Warum erzählte sie das? Hatte sie am Ende doch gemerkt, dass Schürmann ihr gefolgt war? Bereitete sie Stephan gegenüber rhetorisch das große Finale vor, das sich vielleicht doch so gestalten sollte, wie Schürmann vermutete?
    »Könnte man nicht Helfer bitten, Ihren Mann nach Puerto de Mogán zu bringen?«, fragte er weiter. »Es gibt doch hier sicherlich das Rote Kreuz oder andere Organisationen, die behilflich sein könnten?«
    »Es geht letztlich nicht darum, ihn zu transportieren«, erwiderte sie. »Sicherlich kann man ihn irgendwie auf das Schiff kriegen. Aber Justus ist kein Möbelstück. Er ist ein Mensch, der entsetzlich leidet. Und ich kann und will ihm das nicht zumuten. Wir müssen einfach akzeptieren, dass es in ein paar Tagen, vielleicht auch erst in ein oder zwei Wochen, vorbei sein wird. Es hört sich bestimmt grausam an, Herr Knobel. Aber mittlerweile bete ich für seinen Tod. Krebs ist eine Geißel der Menschheit. Es gibt so viele Menschen, die daran sterben. Aber es ist noch mal etwas ganz anderes, wenn man selbst davon betroffen ist. Ich erlebe das nun das zweite Mal mit, wenn auch jetzt viel intensiver. Mein Schwager Juan ist vor sechs Jahren genau an dieser Krebsart verstorben. Ich kenne die Phasen des Sterbens, Herr Knobel, glauben Sie mir das.«
    »Der Vater des kleinen David?«, fragte Stephan.
    Sie sah erstaunt auf.
    »Ach ja, ich erinnere mich. Sie und Ihre Freundin hatten ja die Kinderzeichnung in der Diele gesehen. – Ja, es war der Vater von David. Meine Schwester hat damals sehr gelitten. Stellen Sie sich vor: Da wächst das kleine, erst dreijährige Kind heran und der Mann, mit dem Sie gemeinsam die Familie bilden, die Sie sich so sehr gewünscht haben, stirbt Ihnen unter den Händen weg. Er hatte vor seinem Tod fast zwei Monate durchgehend im Krankenhaus in Las Palmas gelegen und bestimmt die beste Versorgung bekommen. Aber genutzt hat es nicht. Und deshalb haben wir uns entschlossen, gar nicht erst einen Kampf aufzunehmen, der nicht zu gewinnen ist. Justus bekommt schmerzlindernde Mittel, mehr nicht.«
    »Also haben Sie einen Arzt vor Ort, der ihm diese Mittel verschreibt?«
    »Selbstverständlich«, nickte sie. »Maspalomas hat reichlich Ärzte, sogar etliche deutsche. Es gibt dort einen guten und erfahrenen Onkologen, Dr. Andreas Neumann. Er verschreibt die notwendigen Mittel.«
    »Dann kommt Dr. Neumann hier auch sicherlich vorbei?«, hakte Stephan nach.
    »Am Anfang hatte er es gemacht, klar. Er hat meinen Mann untersucht. So muss es ja auch sein. Der Befund war zusammen mit dem verheerenden Röntgenbild schnell erstellt. Es gibt nichts mehr zu heilen, sondern nur noch zu lindern.«
    »Hat Dr. Neumann Ihren Mann noch mal geröntgt?«, fragte Stephan.
    Sie lächelte bitter.
    »Ja, ich verstehe, dass es sich immer wieder um die Röntgenbilder dreht. Die waren ja auch in dem Prozess gegen Hobbeling fast wichtiger als das Schicksal meines Mannes. – Nein, Herr Knobel, Dr. Neumann hat ihn nicht erneut geröntgt. Das vorhandene Röntgenbild zusammen mit der beruflichen Erfahrung des Arztes reichten völlig aus. Dr. Neumann sah, was war. Er brauchte kein neues Bild.«
    Stephan nahm einen Schluck Wein und sah eine Weile

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