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Endstadium

Endstadium

Titel: Endstadium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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scheinbar gedankenverloren in die Nacht.
    »Dass Ihr Mann Hobbeling vergeben hat, ist eine großartige Leistung. Ich weiß nicht, ob ich so etwas könnte.«
    »Ach, was heißt vergeben?«, wehrte sie ab. »Wir sind des Kämpfens müde geworden. Hobbeling hat einen furchtbaren Fehler gemacht, und ich denke, er hat es im Herzen und im Kopf verstanden. Äußere Schuldeingeständnisse helfen letztlich nicht weiter – und rechtliche Hahnenkämpfe auch nicht. Sie haben Hobbeling ja gesehen. Er macht doch einen netten, sympathischen Eindruck. So einen Menschen mag man. Leider haben wir uns unter ganz anderen Umständen kennengelernt. – Ich habe sogar heute über die Firma meines Mannes eine E-Mail von ihm weitergeleitet bekommen, in der er uns mitteilt, dass er von seinem Besuch hier nachhaltig beeindruckt und in Gedanken bei uns sei.«
    »Wie kam Ihr Mann überhaupt auf Hobbeling?«, fragte Stephan. »Soweit ich weiß, war ihr Mann nie krank und kannte deshalb keine Ärzte – bis auf einen Zahnarzt vielleicht. Hobbeling praktiziert doch in Unna.«
    »Ja, ein Arzt in Dortmund wäre nahe liegender gewesen, nicht wahr?« Sie sah Stephan abschätzend an. Er erwiderte ihren Blick nicht.
    »Ich denke schon«, sagte er.
    »Jens Hobbeling war Mandant in der Steuerberaterpraxis, in der ich früher gearbeitet hatte«, erklärte sie. »Er galt als fachliche Kapazität, seriös und gewissenhaft. Ich habe ihn nicht einmal persönlich kennengelernt. Ich kannte ihn sozusagen nur aus der Buchhaltung und von dem, was der Steuerberater über ihn erzählte. Er hatte gute Erfahrungen mit Hobbeling gemacht und gelobt, dass er ein unwahrscheinlich netter Arzt sei, der sich einfühlsam für seine Patienten einsetze. So ist das eben. Welchen Arzt hält man für gut, Herr Knobel? Natürlich denjenigen, der immer nett und freundlich ist und keine harten Sachen sagt. Man ist häufig genug so dumm, dass man die Wahrheit gar nicht hören will. Und bei meinem Mann sah es ja damals weiß Gott auch nicht sofort lebensbedrohlich aus. Er nahm aus unklaren Gründen Gewicht ab und erbrach sich häufig. Sicher, das ist beunruhigend, aber bei einem Geschäftsmann, der von Termin zu Termin hastet und sich über dieses und jenes ärgern muss, durchaus erklärlich. Also habe ich ihm den Namen von Hobbeling genannt, und er ist hingefahren. So einfach ist das. Und er war sogar von Hobbeling ganz angetan. Justus berichtete, dass er eine Röntgenaufnahme gefertigt und ihn ausführlich zu seinen Lebensgewohnheiten und Vorerkrankungen befragt habe. Es sei ein nettes, sehr aufgeschlossenes und fast freundschaftliches Gespräch gewesen. Und als eine Woche später das Röntgenbild ausgewertet war, schien alles in Ordnung. Dazu kommt, dass mein Mann ein ausgemachter Arztfeind war. Er machte um alle Ärzte einen Bogen. Wenn ihm mal übel oder schwindelig war, dann ging er nie zum Arzt, sondern sagte, dass die Natur ihn schon heilen werde. Die Natur gebe und nehme, was sie wolle, sagte er immer. Und jetzt sehen wir das Ergebnis: Sie nimmt ihn wieder zu sich. Wenn mein Mann nicht mehr weiter gegen Hobbeling agitieren will, dann jenseits aller rechtlichen Finessen auch aus dem Grund, weil er in seinem Inneren eine gewisse Mitverantwortung trägt. Mein Mann wollte nie wirklich den Ursachen auf den Grund gehen, und es ist mehr als nachvollziehbar, dass er bei seinem ersten Besuch bei Hobbeling alles verharmlosend dargestellt hat. Er hat dem Arzt bestimmt nicht gesagt, dass er einmal Blut gehustet hatte. Justus wischte sich blutigen Schleim von den Lippen und meinte, er müsse vom vielen Husten wohl eine wunde Stelle im Rachen haben. Er lächelte etwas, aber ich merkte, dass er sehr erschrocken war. Immer, wenn ich ihn wieder darauf ansprach, beruhigte er mich mit Floskeln. Er verdrängte es.«
    Julita Rosell hielt inne, betrachtete Stephan längere Zeit und lächelte dann. »Wir können uns unser Leben nicht aussuchen«, sagte sie, »und unser Sterben auch nicht.«
    »Belästigt Sie dieser dicke Kerl noch, der hier ums Haus geschlichen ist?«
    »Haben Sie ihn wieder gesehen?«, fragte Frau Rosell zurück.
    Stephan schüttelte den Kopf.
    »Es könnte ein Detektiv sein«, vermutete er.
    »Detektiv? – Für wen? – Ich habe nichts zu verbergen.« Sie lächelte wieder. »Es wird ein Pressefritze sein, der einige zugkräftige Fotos schießen will.«
    »Aber die Presse haben Sie selbst ins Haus geholt«, wandte Stephan ein.
    »Ja, ich weiß. Es war ein Fehler. Ich habe dem

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