Endstadium
seither als Geschäftsführer vor. Nachdem sich herausstellte, dass seine Ehe kinderlos blieb, bestand kein Grund mehr, das Unternehmen als Familienbetrieb weiterzuführen.
»Bleiben Sie bei mir!«, bat Rosell und lächelte wieder. Seine Einladung hatte etwas kindlich Ängstliches, als drohte ihm mit Stephans Fortgang Unheil.
»Ich kann Ihren Wunsch, die Presse einzuschalten, grundsätzlich verstehen«, sagte Stephan langsam.
»Aber Sie raten davon ab«, vollendete Rosell. Er drehte etwas den Kopf. »Ich weiß. Aber Sie sind ja gerade dafür da, dass ich mich nicht wieder mit Hobbeling anlegen muss. Ich will nur, dass über mich berichtet wird. Ich mache mein Sterben öffentlich.«
Er wandte sich ab und blickte gedankenverloren auf die halb geschlossenen Vorhänge.
»Es muss doch darüber berichtet werden«, betonte er unerwartet energisch. »Ich wiederhole nicht direkt den Vorwurf, dass Hobbeling meinen Tod zu verantworten hat. Die Bilder und die Berichte sollen für sich sprechen. – Sie, Herr Knobel, halten mir den Rücken frei.«
Das Atmen ging in ein Röcheln über.
»Du strengst dich zu sehr an«, sagte seine Frau. »Ich glaube, dass Herr Knobel verstanden hat. Du solltest jetzt besser versuchen, ein bisschen zu schlafen.«
»Ich bin noch nicht tot«, erwiderte er und verteidigte trotzig sein schwindendes Leben. Es war wie der sinnlose Kampf um eine längst gefallene Burg.
»Du sprichst zuviel«, hielt Julita dagegen.
»Sie brauchen noch eine Vollmacht!«, sagte Rosell unbeirrt.
»Es muss nicht jetzt sein«, erwiderte Stephan weich.
»Doch, es muss! – Wer weiß, wie lange ich noch kann?«
Stephan holte ein Formular aus seiner Tasche. Er reichte das Blatt mit einer festen Unterlage und einen Stift. Warum zitterte er bei dieser eingeschliffenen Übung? Stephan war versucht, Justus Rosell hilfsbereit den ganzen Text des Formulars vorzulesen, doch er unterließ es.
»Was soll ich als Betreff eintragen?«, fragte Rosell, ohne weiter auf den Text zu achten.
»Nichts weiter«, sagte Stephan. »Unterschreiben Sie nur. Es ist ja nur für den Fall der Fälle …«
Rosell seufzte. Er beugte sich etwas vor und unterschrieb fahrig.
»Ich bin noch nicht tot«, sagte er wieder.
Rosells Frau sagte nichts und bat Stephan mit einer Handbewegung, sich zu verabschieden.
»Ich helfe Ihnen«, versprach Stephan.
Rosells Augen zwinkerten müde und dankbar. Er atmete erleichtert aus.
»Du sagst ihm, was ich will, Julita«, bestimmte er.
Frau Rosell begleitete Stephan hinaus.
»Meinem Mann ist wichtig, dass Sie uns nach Spanien begleiten. Er braucht Sie vor Ort, Herr Knobel. Wir werden nächste Woche nach Gran Canaria fliegen. Kommen Sie mit! Es gibt in der Nähe seines Hauses ein gutes Hotel, fast nur einen Steinwurf entfernt. Wir bezahlen alles: Hotel, Flug und was Sie sonst noch brauchen! Haben Sie eine Frau?«
»Freundin …«
»Also gut. Nehmen Sie sie mit. Es soll Ihnen und Ihrer Partnerin gut gehen, Herr Knobel. Wir haben Ende Mai – eigentlich eine der schönsten Zeiten im Jahr. Und selbstverständlich bezahlt mein Mann Ihnen den ganzen Zeitaufwand. Es ist, wenn ich das so sagen darf, für Sie ein gutes Geschäft. Und Sie wissen, dass es ein Auftrag ist, der bald sein Ende finden wird.«
»Die Idee mit der Presse ist kein guter Einfall«, wandte Stephan ein.
»Ich weiß«, stimmte sie zu. »Nüchtern betrachtet ist das so. Aber denken Sie sich in seine Situation hinein. Er stirbt, weil ein anderer einen schweren Fehler gemacht hat. Kommen Sie meinem Mann nicht mit Recht und Gerechtigkeit. Sie wissen, dass es die Gerechtigkeit nicht gibt. Er hat keinen Groll gegen Herrn Löffke. Der Anwalt hat getan, was er konnte. Mein Mann hat verstanden, dass man nicht gewinnt, wenn man nicht beweisen kann. Aber Justus ist kein Fall, den man gewinnt oder verliert. Es geht um ein Schicksal. Und darüber soll berichtet werden. Sie werden dabei sein, wenn Reporter kommen. Filtern Sie die Aussagen meines Mannes, korrigieren Sie ihn, wenn es zu heikel wird. Es darf keine neuen Rechtsstreite gegen Hobbeling geben. Mein Mann hat seine Lehren gezogen. Er möchte in Frieden gehen und dabei von der Sonne des Südens beschienen werden. Aber seine Botschaft soll denjenigen erreichen, für den sie bestimmt ist. Können Sie das verstehen, Herr Knobel?«
»Doch, ja«, erwiderte Stephan.
»Die Presse wird auch darüber berichten, wenn wir nächste Woche nach Maspalomas übersiedeln. Schon morgen wird es darüber einen
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