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Endstation Färöer

Endstation Färöer

Titel: Endstation Färöer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jógvan Isaksen
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östlichen Meer konnte man die beiden Felsen sehen, Risin und Kellingin, erstarrt in dem blauen Meer. Das Meer war nicht grau, bleifarben oder grün, nein, es war blau. Himmelblau. Das steinerne Ehepaar, dazu verdammt, für alle Ewigkeit unterhalb des Eiðiskollur zu stehen, bis das Meer sie zu sich nähme. Heute wäre ihre Strafe nicht so hart ausgefallen. Sie hätten für ihren Versuch, uns nach Island zu ziehen, eher eine Prämie bekommen.
    Heutzutage brauchen wir keine Recken, um die Färöer nach Island zu bringen, das machen wir selbst. Wir reißen die dänischen Wurzeln heraus und pflanzen stattdessen isländische. In einigen Jahrzehnten sind wir vielleicht im Himmelreich angekommen und Isländer geworden. Die Herrschaft der Dänen hat es nach mehreren Jahrhunderten nicht geschafft, uns zu Dänen zu machen, jetzt versuchen wir, in nur hundert Jahren zu Isländern zu werden.
    In dieser Zeit der Firmenlogos und Insignien, in der jeder Holzschuppen sein eigenes Zeichen trägt, sollte der ›Verein zur Wandlung der Färöer in Isländer‹ Risin und Kellingin in sein Wappen nehmen.
    »Fremder Mann?«
    Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen und erblickte einen Greis, der auf der Betonkante oberhalb der Anlegestelle saß und Pfeife rauchte. Er sah aus, als sei er schon an die hundert, hatte sich dabei aber nicht besonders gut gehalten. Sein weißer Vollbart verbarg fast das gesamte Gesicht, der Mund war nur ein Strich, die Augen waren zwei schmale Streifen, tief verborgen zwischen unzähligen Wetterrunzeln. Auf dem Kopf ein großer, verblichener Witwerhut. Nicht so ein moderner Zierhut, sondern einer, der für den Gebrauch gedacht war und die Größe einer mittelgroßen Plastiktüte hatte. Er lag wie ein Kloß auf dem verfilzten Haar. Der gemusterte Wollpullover hatte mindestens einen Weltkrieg überlebt. Die Kniebundhosen waren einmal schwarz gewesen, jetzt aber fast graubraun und an mehreren Stellen eingerissen. Dicke, dunkelbraune Strümpfe und Gummischuhe mit weißen Sohlen rundeten das Bild ab.
    »Ja«, sagte ich, »ich komme auf einen Sprung aus Tórshavn.«
    Die Sonne schien in die schmalen Augen, deren Farbe man wegen der Falten und der langen weißen Augenbrauen nicht sehen konnte. Er nahm die Pfeife aus dem Mund, beugte sich vor und wärmte die großen Arbeitshände am Pfeifenkopf. »Willst du die Ausgrabungen angucken?«
    Vor ungefähr dreißig Jahren waren Gräber aus der Wikingerzeit in Tjørnuvík gefunden worden und die Leute hier waren ungeheuer stolz darauf. Als ob die Ruhmestaten, die in dieser nordischen Hochzeit ausgeführt worden waren, eine direkte Verbindung mit den heutigen Tjørnuvíkbewohnern hätten.
    »Nein, eigentlich nicht.« Ich wusste nicht recht, wie ich es ausdrücken sollte, ohne den Eindruck zu erwecken, total bescheuert zu sein. »Es war in Tórshavn so ein Nebel, da hatte ich einfach Lust, gen Norden zu fahren und zu sehen, ob das Wetter hier nicht besser ist. Und das ist es ja«, fügte ich hinzu.
    Der Alte schaukelte vor und zurück. »Ja, es geht. Es ändert sich je nach Windrichtung.« Er sah einen Augenblick in die Luft, drehte sich dann zur Seite und spuckte aus.
    Normalerweise wissen ältere Leute immer viel zu erzählen, aber anscheinend war dieser Mann zu alt und hatte genug gesehen. Fragen wollte ich ihn auf jeden Fall.
    »Wissen Sie etwas über einen weißen Stahlschoner, der hier heraufgekommen ist?« Ich konnte selbst hören, wie merkwürdig das klang, aber ich wusste nicht, wie ich die Frage verpacken sollte.
    Dem Greis erschien die Frage offenbar nicht ungewöhnlich. Er saugte ein paarmal an seiner Pfeife und ließ den blauen Dunst durch den Bart sickern, ehe er antwortete.
    »Ich selbst habe ihn nicht gesehen, aber sie haben mir erzählt, dass er häufig in Sjeyndir liegt.«
    Sjeyndir war also die Lösung.
    »Wissen Sie, was die da tun?«
    »Nein, das weiß ich nicht. Und ich glaube, das weiß keiner hier. Ein paar Leute sind in die Nähe des Schoners gefahren, um mal zu gucken, aber diese Ausländer sind ziemlich unfreundlich und verjagen die Leute. Sie haben mir erzählt, dass sie aus Südamerika kommen. Aber das kann ich kaum glauben. Warum sollte einer so weit fahren?«
    »Doch, das stimmt«, bestätigte ich. »Der Schoner kommt aus Paraguay.«
    Die Männer an Bord der Eva nahmen sich also auch hier von den Leuten in Acht. Was sie wohl vorhatten?
    »Und Sie wissen nicht, warum der Schoner in Sjeyndir liegt?«
    »Nein, das kann ich nicht sagen.« Er klopfte

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