Endstation Färöer
mich, da kommt’s darauf auch nicht mehr an. Bestell ihnen schöne Grüße und sag ihnen, dass in der Friðrik Petersensgøta ein Kadett mit einer Bombe im Motorraum steht. Sie ist mit dem Starter verbunden. Die Bombe ist ein Gruß an mich, hat den Adressaten aber nicht so richtig erreicht.«
»Hannis«, sie schwieg einen Augenblick. »Wer hat gewusst, dass du den Kadett fährst? Du hast mir doch erzählt, dass du fast nur außerhalb von Tórshavn damit gefahren bist.«
»Das stimmt auch.«
»Dann muss dich den letzten Tagen jemand beschattet haben.«
»Der Gedanke ist mir auch schon gekommen und er ist nicht angenehm.«
Wir wechselten noch ein paar persönliche Bemerkungen, dann legte ich den Hörer auf.
36
Die Rani durchschnitt wie ein Fischerboot den Nólsoyarfjørður. Vierzehn bis fünfzehn Knoten, hatte ich Harald oft prahlen hören, mache sie ohne Weiteres – und jetzt glaubte ich ihm. Es herrschte leichter Wellengang und durch den schwachen Gegenwind spritzte immer wieder Schaum ins Boot. Das machte aber nichts, denn die Rani war eines von diesen kleinen norwegischen Plastikbooten, auf denen man drinnen sitzen und steuern konnte, während sich ein Scheibenwischer um die Sicht kümmerte. Der Motor war ungefähr in der Mitte hinter dem Ruderhaus platziert und in dessen Schutz war reichlich Platz für Angler.
In dem Aufbau war aus dem gleichen Grund viel Platz, es gab auf beiden Längsseiten Bänke und Tische. Man hätte sogar an Bord schlafen können. Die Hausordnung war dieselbe wie in Reyn. Der ganze Raum war ein Durcheinander von Angelspulen und -ruten, Gewichten und Haken, aufgewickelten Nylonschnüren, Ölzeug und Gummistiefeln. An praktischeren Dingen gab es zwei 10-Liter-Kanister mit Öl und ein ganz hervorragendes Radio, mit dem man Norwegen und Dänemark viel besser hereinbekam als an Land.
Ich war es nicht gewohnt, zwischen den Inseln zu kreuzen, hatte auch keine Ahnung von der Strömung, aber Letzteres machte mir nicht so große Sorge, denn ich ging davon aus, dass das Boot einen starken Motor hatte, der alles schaffte. Ich hielt mich ziemlich dicht am Land, doch nicht so nahe, dass ich riskierte, auf ein Riff zu fahren. Als ich nach Hoyvídshólmur kam, fuhr ich nicht zwischen dem Holm und dem Kliff hindurch, sondern hielt mich mehrere Faden außerhalb.
In Haralds Haus hatte es genauso ausgesehen, wie wir es am Abend vorher verlassen hatten. Die Teller standen immer noch auf dem Couchtisch, daneben die leeren Bierflaschen. Mein Mantel und meine Jacke lagen auf einem Stuhl, wo ich sie auch liegen ließ. Die Bootsschlüssel hingen im Flur und zwei Schachteln mit Patronen von Kaliber .12 lagen auf dem obersten Regal des Küchenschranks.
Ich brauchte eine ganze Weile, ehe ich das Gewehr fand, aber schließlich fiel mir ein, dass es nicht ungewöhnlich war, ein Gewehr – wenn man denn eins hatte – unters Bett zu legen. Und dort lag es in einer Lederhülle. Die Buchstaben an der Seite waren kyrillisch und die beiden Läufe waren die längsten, die ich je gesehen hatte. Hoffentlich war die Reichweite entsprechend groß, denn es wog einiges. Glücklicherweise war Haralds Boot eines der äußersten draußen in der Bucht, sodass ich an Bord gehen, es losmachen und hinausfahren konnte, ohne dass mich jemand von der Eva entdeckte. Ich wollte dort oben im Norden meine Ruhe haben, und wenn sie mich den Fjord hinaussegeln sahen, würden sie schon ahnen, wohin die Reise ging.
Es hatte aufgeklart, aber die Sonne hatte keine Kraft, sie schien an anderen Orten außerhalb der Färöer genug zu tun zu haben, hier regierten die Wolken. ›Niflheimr‹, die Hölle, nennt Snorri Sturluson in Gylfaginning eine Nebelwelt, die älter ist als die Erde. Die Idee war ihm zweifellos gekommen, als er an unseren Inseln vorbeikam.
Und trotzdem war es schön, nach Kaldbaksbygd hinüberzusehen, das, obwohl es jetzt eine Landverbindung mit Tórshavn bekommen hatte, immer noch seinen eigenen Stil, seine eigene Seele bewahrt zu haben schien. Während ich an der steilen Kaldbaksside vorbeifuhr, sah ich nach Raktangi hinüber, dem rechten Arm des Skálafjøður, und zu der kleinen Ortschaft Kolbanargjógv. Die Riffe und Klippen, die mehr als einem Schiff zum Verhängnis geworden waren, waren so weit östlich, dass ich mir darüber keine Gedanken machen musste.
Es ging fantastisch.
Wenn ich nur gewusst hätte …
Es war gegen Abend, als ich durch die Meerenge bei Eiði fuhr, und auf beiden Seiten herrschte
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