Endstation Färöer
Himmel klar und es schien, als sollte ich das Glück haben, einen der Tage zu erwischen, an denen man in die Grotten gelangen konnte.
Eine gute Stunde fuhr ich langsam in der Bucht herum und versuchte, in die vielen Spalten und Grottenöffnungen hineinzusehen und einen Hinweis darauf zu finden, was die Deutschen hier gemacht hatten. Unrat verschiedenster Art schwamm herum, wie an allen anderen Orten auf unserem Planeten auch. Es heißt, das Meer um die Färöer sei das sauberste der Welt, nirgendwo sonst gäbe es so gutes Wasser und deshalb auch so gute Fische. In Wahrheit ein wackeliger Balanceakt. Der Abfall, der inzwischen Buchten und Strände der Färöer füllt, ist sichtbar und hässlich, und doch ist es nur wenig im Vergleich mit der Verunreinigung, die man nicht mit bloßem Auge sehen kann, eine Verunreinigung, die uns alle vernichten wird, wenn wir nicht bald umkehren.
Das war also die moralische Morgenandacht, nur ärgerlich, dass niemand sie hörte. Jetzt konnte ich guten Gewissens weitermachen mit der Verschmutzung und das Auspuffrohr des Bootes spuckte regenbogenfarbenen Vogeltod ins Wasser.
Die zerklüfteten Felsformationen bildeten eine massive Wand, von der ich mich bedroht fühlte, ich traute mich nicht, zu nah heranzufahren. Ich war es nicht gewohnt, ein Boot zu steuern, war nicht mit der Ruderpinne in der Hand geboren, und außerdem war es zu groß. Mir wurde schnell klar, dass ich nur wenige Grotten finden würde, in die das Boot sich hineinschlängeln könnte. Auf dieser ersten Rundfahrt versuchte ich, mir die Stellen zu merken, an denen das möglich war. Eine Grottenöffnung sah besonders viel versprechend aus, sie ähnelte einem weit geöffneten Kirchenportal, das die Leute zum Eintreten einladen wollte.
Später lag ich ruhig am Ende der Bucht und betrachtete die Schatten, die sich die grünen Bergseiten hinunterbewegten und Sjeyndir mehr und mehr in Besitz nahmen. Die Bergkämme sorgten dafür, dass das Licht die meiste Zeit des Tages außen vor blieb. Es war eine Schattenwelt mit noch weniger Sonne als in Tjørnuvík.
Ich hatte keinerlei Spuren des Schoners Eva entdeckt und jetzt gab es nichts anderes mehr zu tun, als mich in die Grotten aufzumachen. Während ich auf einem Schiffszwieback aus der großen Packung, die ich bei der Shell-Tankstelle an der Brücke gekauft hatte, herumkaute, bedachte ich die Situation. Ich war für größere Expeditionen in die Grotten nicht ausgerüstet, hatte weder Werkzeug noch ein für diese Zwecke passendes Boot. Außerdem hatte ich fast keinen Proviant, nur den Zwieback und ein paar Flaschen Bier und Selters. Und Lust, noch eine weitere Nacht an Bord zu verbringen, hatte ich unter keinen Umständen.
Nach langen Verhandlungen mit mir selbst und etwas Schiffszwieback wurde beschlossen, mit der Suche anzufangen. Erbrachte sie heute kein Resultat, wollte ich nach Eiði fahren, dort im Hotel übernachten und es morgen wieder versuchen. Was ich tun würde, wenn ich nichts fand, wenn es nichts zu finden gab, ja, diesen Gedanken schob ich von mir.
Entgegen meinen Vermutungen wurde das ›Kirchenportal‹ enger, als ich mich ihm näherte. Ich hatte gedacht, hier wäre genug Platz, um ohne Probleme hineinzufahren, aber die Rani berührte fast den Tangbewuchs an den Seiten. Nur gut, dass ich die Eisenstangen abgeschraubt hatte, denn die Öffnung wurde oben so eng, dass sich das Boot nur gerade eben hineinwinden konnte.
Drinnen sah es ganz anders aus. Die Deckenhöhe wuchs schnell bis zu fünfzehn Metern und nur selten ein oder zwei Faden weniger. An den meisten Stellen war sie so hoch, dass ich sogar einen Mast hätte haben können.
Es gab eine große Taschenlampe an Bord, und als ich ungefähr dreißig, vierzig Meter hineingekommen war, knipste ich sie an und beleuchtete die dunklen Grottenwände. Sie ähnelten den Tunnelwänden auf Streymoy und Eysturoy, graubraun, manchmal fast schwarz, aber glatter und schöner. Die Natur ist tüchtiger als die Landesingenieure und die Firma Pihl & Son.
Was mich am meisten beeindruckte, war der Lärm. Aus irgendwelchen Gründen war ich davon ausgegangen, dass es in den Grotten totenstill wäre, weder Natur noch der Alltag hätten hier etwas zu melden. Da hatte ich mich reichlich getäuscht. Es war laut und hallte in der Grotte wider und in der Ferne konnte ich hören, wie sich die Wellen brachen. Die Akustik war erschütternd. Zwischendurch kam es mir so vor, als hörte ich jemanden rufen, ich versuchte zu lauschen,
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