Endstation Färöer
halten.
Das Radio forderte die Leute im südlichen Teil von Suðuroy auf, mit Wasser zu sparen. Es war streng verboten, Autos zu waschen und Gärten zu gießen. Ich traute meinen Ohren nicht. Hier duckten wir uns unter Nebel und Regen und auf Suðuroy sollte es aufgrund der Hitze Wassermangel geben.
Es war möglich. Alles ist möglich in diesem Land. Aber es war doch nicht nötig, den Leuten in Sumba im Radio zu verbieten, ihre Autos zu waschen! Das taten sie doch sowieso nicht. In Sumba sah man es als weibisch an, sich mit so etwas abzugeben. Das war eines Kämpen ebenso unwürdig, wie im Winter mit einem Mantel zu gehen.
»Ole Morske ligger krumpen på loftet«, brummte eine heisere Stimme hinter mir.
Harald war aufgewacht und zwischen einzelnen Schmerzstößen versuchte er zu lächeln.
»Was meinst du, Hannis«, flüsterte er, »sollte ich meinen Namen nicht in Ole Morske ändern, wo ich hier wie ein armer Schlucker liege?«
»Du hast doch schon einen neuen Namen. Ich wäre fast aufgeflogen, weil ich mich als dein Bruder ausgegeben habe, um dich besuchen zu dürfen, und dann weiß ich deinen Namen nicht. Ich habe immer gedacht, du heißt Kristiansen. ›I Sátudali‹?« Ich hielt mir die Hand vor den Mund, um das Grinsen zu verbergen.
Das Weiße in Haralds Augen war rot und er hatte bereits den gräulichen Krankenhausteint angenommen. Dieser große, starke Mann sah merkwürdig hilflos aus, wie er da im Bett lag.
»Mein Bruder und ich haben uns den Namen letztes Jahr in Sátudali gekauft – wir haben ein Stück Land da oben, das so heißt.« Er schloss wieder die Augen. »Wenn wir gewusst hätten, wie viel darüber gespottet wird, würden wir heute noch Kristiansen heißen. Aber du bist doch nicht gekommen, um mich nach meinem Nachnamen zu fragen?« Er schaute mich aus den Augenwinkeln an.
»Was ist denn gebrochen?«
»Ein Arm und ein Bein.«
Er versuchte, sie etwas anzuheben, stöhnte aber vor Schmerz auf. Eine Weile lag er mit geschlossenen Augen da, während die letzten Radiomeldungen vom Flur zu hören waren. Der weiße Schutzengel konnte jeden Augenblick kommen.
»Das Schlimmste ist, dass ich weder jemanden gehört noch gesehen habe. Ich bin erst hier draußen wieder zu Bewusstsein gekommen. Die hätten mich umbringen können. Warum haben sie das nicht gemacht, Hannis?«
Es war ihm offensichtlich wichtig, eine Antwort auf diese Frage zu bekommen.
»Das ist schwer zu sagen, aber ich tippe mal, damit sie keine Probleme mit der Polizei kriegen. Dein Leben hat sie jedenfalls nicht interessiert. Das konnten sie sich für ein andermal aufheben.« Ich war schon immer gut darin gewesen, Leute zu beruhigen.
»Genau das macht mir Sorgen«, sagte Harald. Er wirkte abwesend, irgendein schmerzstillendes Mittel bekam Oberhand über ihn. »Sie hatten mich erwischt und sind mit mir umgegangen wie ein grausames Kind mit einer Fliege, das ihr ein Bein nach dem anderen ausreißt und …« Seine Stimme wurde undeutlich.
»Harald«, sagte ich bittend, »du musst mir dein Boot ausleihen. Und das Gewehr«, fügte ich hinzu. Jetzt war er fast weg und ich hörte Schritte sich der Tür nähern.
»Die Schlüssel hängen im Flur und die Patronen sind im Küchenschrank«, flüsterte er. »Das Gewehr ist …«
»Die Zeit ist um«, knallte es.
Mein lang erwarteter Ischariot stand in der Tür und ich konnte sehen, dass ich, egal wie schnell ich verschwinden würde, nie schnell genug sein konnte.
Harald war eingeschlafen, aber ich dürfte wohl keine Probleme haben, das Gewehr zu finden, also ging ich gehorsam auf den Flur.
»Hast du nie daran gedacht, im Kühlhaus zu arbeiten?«, fragte ich sie mit freundlicher Stimme.
»Wieso?«, kam es kurz. »Ich habe keine Zeit, auf alberne Fragen zu antworten.«
So wie sie dastand, perfekt in Aussehen und Kleidung, würde kein von einem Weibe geborener Mann es wagen, sich ihr zu nähern. Und schon gar nicht, sie anzufassen.
»Dann gäbe es eine Übereinstimmung zwischen Seele und Umgebung.«
Nachdem ich diese dumme Bemerkung in den Flur gesprochen hatte, ging ich zum Fahrstuhl und drückte den Knopf für den Ausgang, nicht gerade zufrieden mit mir.
35
Das Taxi setzte mich in der Friðrik Petersensgøta ab, und als ich den Schlüssel in das Sicherheitsschloss steckte, war mir klar, dass hier etwas nicht stimmte.
Ich war nach Hause gefahren, um brauchbare Kleidung für die Fahrt in den Norden zu holen. Ich wollte gleich los, bevor die Polizei mich fand, wieder alles Mögliche
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