Endstation Färöer
vollkommene Stille an Land. Man sah weder Autos noch Menschen, obwohl das Fernsehen montags nicht sendete. Zum Glück war das Video erfunden worden und das stellte eine hervorragende Hilfe in dem Bemühen dar, die Zeit verstreichen zu lassen bis zum endgültigen Rendezvous mit dem Tod.
Stakkurin, die einzelne Klippe im Meer, trat jetzt umso deutlicher hervor und sah aus, als hätte jemand mit einem Messer ein Stück von Streymoy abgeschnitten, das dann wie ein Tortenstück ein wenig zur Seite gerutscht war.
Dahinter erhob sich der Mylingur in seiner ganzen Größe. Grün und schräg wandte er sich dem Land zu, während er im Norden und Westen ein fast senkrechtes Kap bildete. Die Bucht Sjeyndir ist auf beiden Seiten von schroffen Felswänden umgeben. An den Enden ragen die Felsen steil empor, während man im Innern der Bucht an Land gehen kann. Ich fuhr am östlichen Arm entlang und drosselte die Geschwindigkeit, um in die Seehundhöhlen schauen zu können, aber es war schon zu spät, um nach irgendwelchen Merkmalen zu suchen. Die Bucht lag vollkommen im Schatten, die hohen Bergen rundherum verhinderten in der Hälfte des Jahres, dass das Licht bis an den Grund gelangte. Meine Hoffnung war die Morgensonne, die vielleicht alle Felswände und Grotteneingänge erleuchten und mir den Weg zeigen würde. Während ich tief in der Bucht den Anker warf, überlegte ich, ob ich wohl auf ein göttliches Zeichen wartete, und ich sah Ketil in dem Roman Fattigmandsære vor mir. Ein Stein zerbrach seine Vogelstange und er dankte Gott. Ich hatte das Gefühl, so wie ich mich aufgeführt hatte, würde mich der Stein sicher am Kopf treffen.
Unter derartig stimmungsvollen Gedanken suchte ich mir einen Platz auf einer der Bänke und versuchte, eine Mütze Schlaf zu finden.
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Gegen drei Uhr war der ganze Himmel rot, und die Vögel hatten angefangen, sich zu rühren, aber ich musste noch ein wenig warten, bevor ich mit der Suche beginnen konnte. Ich hatte versucht, ein paar Stunden zu schlafen, aber es war kalt und jetzt war ich ganz steif gefroren. Mehr als einmal hatte ich an die Wohnung in der Luca Debesargøta und an eine schwarzhaarige, braunäugige Frau gedacht, die dort wohnte. Aber das half nicht viel, die Gedanken an ihre einladende Wärme machten die Kälte eher noch unerträglicher.
Eine Weile war ich bereits damit beschäftigt, die Eisenstangen am Ruderhaus abzuschrauben, eine Antenne ragte mehrere Meter in die Luft, und wenn ich irgendwie in die Grotten gelangen wollte, musste ich sie auf jeden Fall verkürzen.
Hier in Sjeyndir wurde mir klar, dass der Alte in Tjørnuvík sicher Recht hatte: Außer Seehunden gab es hier nichts. Ich hatte einige Köpfe aus dem Wasser ragen sehen, die mich fragend anguckten, aber eine Frage äußerten sie nicht. Nur der Fluss und das Gluckern der Wellen waren zu hören. Mit der Zeit wurde mir außerdem klar, dass die Rani, abgesehen von ihren vielen guten Eigenschaften, nicht das rechte Fahrzeug war, um die Grotten zu erforschen. Ein Ruderboot wäre viel praktischer und wendiger gewesen, aber ich hatte kein Ruderboot und tat deshalb mein Bestes, um die Form des Plastikboots zu verbessern.
Es war mühsam, die Muttern waren praktisch festgerostet, aber mit ein bisschen Öl und viel Kraft bekam löste sich nach und nach die Eisenkonstruktion. Es dauerte auch noch eine Weile, das Gestänge zu zerlegen, damit es an Bord passte. Und als die Sonne auf die Klippen an der Westseite der Bucht schien, hatte ich mich aufgewärmt und war bereit zur Expedition.
Und wie an all den anderen albtraumartigen Tagen wusste ich nicht, wonach ich suchte. Aber immerhin war es mir gelungen, einiges herauszufinden: Zwei alte Nazis waren aus Paraguay auf die Färöer gekommen, ihre Helfershelfer räumten jeden, der ihnen in die Quere kam, aus dem Weg, und sie waren regelmäßig in dieser Bucht. Die Polizei durfte nicht an Bord des Schoners, dafür sorgte die Landesregierung in der Hoffnung auf Fischereirechte in der Karibik, und das Ergebnis meiner ersten Untersuchungsexpedition war ein krankenhausreif geschlagener Harald.
Sjeyndir war meine letzte Hoffnung.
Die Sonne bekam immer mehr Kraft und bald lag die Bucht wie ein riesiges Amphitheater da, das auf die Zuschauer wartete. Der einzige Repräsentant des Menschengeschlechts war ein malträtierter Journalist, der Leichtbier trank und Schiffszwieback aß, während er langsam auf die sonnenbeschienenen Felswände zufuhr.
Immer noch war es windstill und der
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