Endstation Färöer
Weißhaarige Ritschek hieß.
»Ob es wohl möglich wäre, den Zusammenhang zu erfahren, bevor ihr mich an den point of no return schickt? Das Wenige, was ich weiß, werde ich euch schon erzählen. Ich glaube nicht, dass ich eine andere Wahl habe.«
»Das ist ganz richtig. Aber warum es notwendig sein soll, dir den Zusammenhang zu erklären, leuchtet mir nicht ganz ein. Du hast das Gold gefunden und das Ende deines Auftritts hier auf Erden ist absehbar.«
Er zeigte keinerlei Gefühle. Der Lärm vom Torpedoraum, wo sie unter den Augen von Ritschek die Kisten schleppten, und ich, unter dem Tisch angekettet, waren anscheinend nichts Außergewöhnliches für ihn. Es schien ihn nicht im Geringsten zu stören.
»Wie heißt du, wenn der Name im Logbuch falsch ist?«
Ich konnte es wenigstens versuchen. Draußen auf der Klippe hatte er einen Hauch von Emotionen offenbart, als er seine Verachtung für den Kapitän zeigte.
Er lächelte. »Ja, der Kapitän. Es schien leicht, ihn hinters Licht zu führen, aber später habe ich überlegt, ob er nicht doch begriffen hat, was vorging. Das Logbuch hat er jedenfalls vor uns verstecken können. Obwohl wir das ganze Boot durchsucht haben, konnten wir es nicht finden. Du hast es gefunden, wo war es denn?«
»Er hat drauf gesessen.«
»So einfach war das? Ja, man sieht manchmal den Wald vor lauter Bäumen nicht.«
Er zog einen dunklen Zigarillo aus der Jackentasche und zündete ihn mit einem goldenen Feuerzeug an. Zwischen den Zügen sagte er: »Das kann uns ja heute ganz egal sein und vielleicht konnte es das auch schon damals, aber wir von der SS legen großen Wert auf Pflichtbewusstsein und Gründlichkeit. «
Das letzte Wort sagte er auf Deutsch mit Nachdruck und Hochmut.
Ich war drauf und dran, ihm zu sagen, dass das einzige Pflichtbewusstsein, das ich beim Rückblick auf den Zweiten Weltkrieg sehen konnte, in der Zerstörung von Menschen und Ländern bestand. Möglicherweise wollte er mit seinen Andeutungen genau darauf hinaus, aber ich wollte ihn um alles in der Welt nicht provozieren.
Im Torpedoraum ging es geschäftig zu und ich hörte eine dünne Stimme Befehle erteilen. Die Worte verstand ich nicht, aber die Stimme gehörte zu Ritschek. Sie klang feminin und passte überhaupt nicht zu einem Mann seiner Größe. Ich verstand sehr gut, warum er so wenig sprach.
»Wer ist Ritschek?« Das Gespräch durfte nicht enden, dann wäre es um mich geschehen.
Die Lampe lag auf der Koje und warf ihr Licht auf mich, ließ aber gleichzeitig trollartige Schatten auf dem Gesicht des Mannes entstehen, der nicht von Essen hieß. Er erinnerte an eine von William Heinesens Karikaturen.
»Es ist unglaublich, wie viel du heute Abend fragst, und ich glaube, ich weiß, warum.« Jetzt lächelte er, sodass seine weißen Zähne zum Vorschein kamen. »Ja, warum sollen wir uns nicht die Nacht mit einer Plauderei verkürzen. Die anderen werden hier nicht vor Mitternacht fertig sein.«
Ich spürte, wie meine Schultern sich entspannten und ich wieder atmen konnte. Ich hatte noch eine Frist erhalten.
44
»Viktor Ritschek ist Sudetendeutscher und wie ich SS-Mann.«
Er richtete sich auf. »Ritschek hat großartige Arbeit im Lager Mauthausen vollbracht, aber nach dem Krieg haben die Leute unsere großen Pläne nicht begriffen und er musste fliehen. Was ihn aber am härtesten getroffen hat, war die Tatsache, dass er seine Hunde töten musste, die konnte er nicht mitnehmen.«
Er blies den Rauch in meine Richtung und versank in Erinnerungen. Von draußen waren Stöhnen und leises Gemurmel zu hören. Die Schatten in der Türöffnung waren lang und bewegten sich ruckartig vor und zurück. Hier ging es zu wie in Helhjem oder in Wielands Schmiede, und Totenschädel, aus denen man Becher machen konnte, gab es auch genug.
»Sie waren darauf dressiert, Juden an die Kehle zu springen. Nach dem Krieg gefiel gerade das den Leuten nicht, aber so etwas ist doch der reinste Quatsch. Ist man mitten im Kampf, nimmt man das, was einem zur Verfügung steht. Ob der eine oder andere von den Hunden gefressen wurde, war doch nebensächlich.«
Jetzt sah er mich direkt an. »Ihr Journalisten wart schwer damit beschäftigt, die so genannten Verbrechen zu beschreiben, die wir während des Krieges begangen haben sollen. Blödsinn. Wir haben noch viel zu wenig getan. Sieh dir die Welt heute doch nur an.« Er schwang den Zigarillo hin und her.
»Du leugnest also nicht die Konzentrationslager?«, fragte ich.
»Natürlich
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