Endstation Färöer
damit er den Faden nicht verlor.
»Franz war ab 1941 Kommandant in Treblinka und es gelang ihm, noch unter den größten Schwierigkeiten die Produktion am Laufen zu halten. Man hat mir erzählt, dass während seiner Zeit in Treblinka ungefähr 700.000 Juden getötet wurden. Wenn das keine Leistung ist!«
Das konnte ich bestätigen. Ich erinnerte mich an die Lektüre in der Landesbibliothek.
»Nach dem Krieg ging er nach Rom, und unser treuer Freund, Bischof Hudal, versteckte ihn und half ihm, nach Brasilien zu kommen. Dort ging es ihm ausgezeichnet, er arbeitete in der Volkswagen-Fabrik in Sao Paulo, seine Frau und seine Kinder waren bei ihm und er war auch in unserer Arbeit engagiert. Aber dann …«
Ernst Stangl zerbrach den Zigarillo zwischen den Fingern und trat ihn auf dem Boden aus.
»Ich habe es Ritschek oft vorgeworfen. Warum, zum Teufel, hat er diesen jüdischen Satan nicht umgebracht, als er die Möglichkeit dazu hatte? Er hätte ihn von seinen Hunden auffressen lassen können, aber dann wären die sicher an Vergiftung gestorben.«
»Von wem redest du?«, fragte ich vorsichtig.
»Von Simon Wiesenthal, von wem denn sonst?« Er schien keine Antwort auf seine Frage zu erwarten, denn er fuhr fort: »Wiesenthal fand Franz und machte ihm das Leben zur Hölle, doch wenn Robert Kennedy nicht gewesen wäre, hätte Brasilien ihn sicher nicht den deutschen Gerichten ausgeliefert. Verdammte Judenfreunde! Franz starb kurz nach dem Prozess in Düsseldorf. Hätte Ritschek Wiesenthal in Mauthausen umgebracht, wäre nichts von alledem passiert. Aber Ritschek sagt, dass es in Mauthausen so viele Juden gab, dass er nicht wissen konnte, wer Wiesenthal war, und letztendlich war nicht er es, der den Befehl gab, die letzten Gefangenen leben zu lassen. Wäre es nach ihm gegangen, wäre niemand lebend dort herausgekommen. Trotzdem überlege ich oft, was gewesen wäre, wenn Ritschek …«
Sein Kinn sank auf die Brust, für einige Minuten war er in Gedanken versunken. Ich fror immer stärker und versuchte, das Gewicht von einer Pobacke auf die andere zu verlagern. Es half wenig.
»Aber unsere Zeit ist bald gekommen«, sagte Ernst Stangl mit kräftiger Stimme. »Die kommunistischen Länder brechen auseinander und wir sind bereit, die Macht zu übernehmen. Die Westmächte sollen sich nur raushalten, keinen Marshallplan, kein Gerede davon, den Schwachen zu helfen. Die Schwachen haben in unserer Welt keine Rechte, die Schwachen müssen weg. Ausradieren! In den baltischen Ländern haben wir während des Krieges viele unserer tüchtigsten Helfer gefunden und sie sind immer noch bereit. Ich werde dir ein Beispiel erzählen, das für alle Länder Europas passt. Die Besatzungsmacht hatte eines unserer lettischen SS-Regimenter gefangen genommen und es nach Deutschland ins Lager in Zedelheim gebracht. Im Lager gründeten sie die Organisation ›Daugavas Vanagi‹, die Falken von Daugavas, und schworen sich, Lettland wieder zu erschaffen, und zwar ein faschistisches, antisemitisches und antikommunistisches Lettland. Jetzt haben sie die Chance.«
»Die Westmächte werden es niemals zulassen, dass eine solche Regierung die Macht übernimmt«, sagte ich, während ich gleichzeitig fasziniert war von den Äußerungen des SS-Mannes.
»Die Westmächte«, schnaubte er verächtlich. »Ich kann dir einiges über deine Westmächte erzählen, was sie gar nicht gern gedruckt sehen würden. Nur ein kleines Beispiel dafür, wie viel ihnen Ideale bedeuten: ›Daugavas Vanagi‹ gründeten in verschiedenen Ländern Unterorganisationen, eine der Hauptgruppen entstand in Schweden, wo es von Balten wimmelt. Deren Führer war Karlis Lobe, wir nannten ihn den ›baltischen Eichmann‹, unter anderem deshalb, weil er als Standartenführer so hervorragende Arbeit geleistet hatte. So war in Ventspils kein einziger Jude mehr übrig, nachdem er und seine Männer dort gewesen waren. Aber obwohl die Schweden, darunter auch Tage Erlander, ganz genau wussten, wer Karlis Lobe war, durfte er in Ruhe und Frieden in Stockholm leben. Die Polizei gab ihm den Befehl, er solle sich nicht darum kümmern, was die Kommunisten befahlen oder forderten. Aber die Wahrheit ist: Antikommunistische Nazis sind gute Nazis und antikommunistische Massenmörder sind gute Massenmörder. Gäbe es nicht solche Narren wie Simon Wiesenthal und andere, hätten wir nichts zu befürchten. In den USA gibt es Orte, in denen fast jeder Parteimitglied gewesen ist, wie zum Beispiel South River in New
Weitere Kostenlose Bücher