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Endstation Färöer

Endstation Färöer

Titel: Endstation Färöer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jógvan Isaksen
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abgezogen?«
    »Nein, das stimmt.« Der höhnische Blick war wieder da.
    »Aber wir hatten unsere Helfer im Land. Nicht alle unterstützten die englische Besatzungsmacht und außerdem war der Krieg in Europa vorbei, die Leute hatten genug damit zu tun, zu feiern und zu jubeln. Wir haben ein Passagierschiff nach Island genommen und sind von dort aus weiter.«
    »Woher wusstet ihr, dass das Gold noch immer in der Grotte war? Die Wahrscheinlichkeit war doch nicht besonders groß.«
    »Das stimmt auch wieder. Als wir damals aus der Grotte ruderten, waren wir überzeugt davon, dass wir das Spiel und damit das Gold verloren hatten. Unsere Hoffnung war nur, dass auch niemand sonst es in die Finger kriegen würde. All diese Jahre in Südamerika, zuerst in Argentinien und später in Paraguay habe ich mich darüber gewundert, dass man nichts von dem Gold gehört hat. Jemand hätte es stehlen können, aber wir haben so gute Verbindungen zum Goldmarkt, dass wir davon erfahren hätten. Wir schickten auch Anfragen aus, natürlich diskret, aber niemand hatte von einer größeren Menge Gold gehört. Die Bank von Italien hatte die dreiundzwanzig Tonnen nicht zurückerhalten und gestohlen worden waren sie auch nicht. Also mussten sie immer noch in der Grotte bei Sjeyndir liegen, auch wenn es unfassbar erschien.«
    Stangl hielt inne und zündete sich einen neuen Zigarillo an. Mir bot er nichts an. Ich zweifelte daran, ob er mich überhaupt als einen Menschen ansah, auf jeden Fall nicht als einen Übermenschen von der richtigen Sorte.
    »Zuerst haben wir einige Informationen über dein Land eingeholt. Wir haben schnell rausgekriegt, dass ihr am Rande des Bankrotts steht und jetzt nach neuen Fischereigebieten sucht. Wir haben an die Regierung ein Telex geschickt, dass wir ein Angebot hätten, und damit ließ sich alles machen. Egoismus und Habsucht herrschen offenbar wieder überall auf der Welt. Zum Glück.«

45
    Ich hatte nunmehr mehrere Stunden angekettet dagesessen, und um meinen Rücken zu schonen, hatte ich mich auf den Boden gesetzt. Der war kalt, aber so tat der Rücken nicht so weh.
    Stangl fühlte sich pudelwohl. Er trat mit seinen Turnschuhen nach mir, und als ich in das Gesicht hoch über mir schaute, grinste er nur schmierig, sagte aber nichts. Stattdessen ging er eine Weile nachdenklich auf und ab und rauchte.
    »Ihr seid ein eigentümlicher Menschenschlag«, sagte er schließlich. »Wir sind jetzt schon eine Weile hier. Na, du weißt ja, warum, und es sei dir auch vielmals dafür gedankt, dass es sich nicht noch länger hingezogen hat.« Er verneigte sich vor mir. »Danke schön, Herr Journalist.«
    »Die Freude ist ganz meinerseits«, antwortete ich höflich.
    Stangl kam wieder auf das Thema, das ihm am Herzen lag.
    »Ihr habt eure eigene Sprache, Kultur, Wirtschaft, alles ist euer spezielles Eigenes zwischen Himmel und Erde, aber ich habe noch nie ein Volk getroffen, das gleichzeitig so stolz und so unterwürfig ist. Ihr prahlt damit, was alles euch gehört, aber gleichzeitig lasst ihr euch von Fremden behandeln, wie es denen gefällt. Ich dürfte mich eigentlich nicht beklagen, schließlich haben wir gerade diese Charaktereigenschaft ausgenutzt, aber es gefällt mir nicht, wenn ich ein arisches Volk so tief sinken sehe, dass es vor allem auf dem Bauche kriecht, was von außen hereinströmt. Euer Selbstbewusstsein ist nur mit Luftwurzeln verankert, wie die Pflanzen im Mangrovensumpf. Ihr seid, wie es in der Fachsprache heißt, Epiphyten. Es genügen ein paar wohlgesetzte Worte und ihr tut alles, worum die Leute, die von außen kommen, euch bitten, und bezahlt obendrein noch dafür.«
    Stangl grinste vor sich hin und schüttelte den Kopf. »Was mir aus deutscher Perspektive am merkwürdigsten erscheint, ist die Unterwürfigkeit gegenüber allem, was dänisch ist. Dänemark mit seinen Kopenhagenern aus Blätterteig und seiner Kleinen Meerjungfrau.«
    Das Letzte sagte er in einem künstlichen, süßlichen Ton auf Dänisch. »Ständig vergleicht ihr euch mit den Dänen, schimpft über sie, aber bindet euch trotzdem dran. Wie Geiseln, die ihre Entführer lieben. Die Dänen müssen euch gar nicht das Fell abziehen, das macht ihr schon allein. Eine Nation von Masochisten, das seid ihr. Euch fehlt Disziplin. Die könnt ihr von uns kriegen, wir sind das disziplinierteste Volk der Welt. Vielleicht mit Ausnahme der Japaner, aber wer möchte schon mit diesen o-beinigen, schlitzäugigen Zwergen verglichen werden. Ich jedenfalls

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