Endstation Färöer
dann hätten wir sie nicht angerührt. Eigentlich ist es ganz gleich, was aus ihr geworden ist, aber wir hatten keinerlei Interesse an irgendwelcher Unruhe während unseres Bergungsversuches. Ganz im Gegenteil. Aber Sonja war Journalistin und sie hatte einen Riecher für eine gute Story, Pech für sie, dass sie sich nicht mit der Geschichte von den Fischereirechten in der Karibik abfand. Sie fing an zu raten und eines Abends offenbarte sie uns beim Kognak alle ihre Schlussfolgerungen. Sie hatte hier in Sjeyndir auf der Lauer gelegen und uns die Klippen entlangrudern sehen, und sie sagte, sie wüsste, dass wir nach etwas suchten, und was, das würde sie auch noch herauskriegen. Zunächst einmal sollten wir 250.000 Kronen an sie und die gleiche Summe an ihren Freund Hugo Jensen überweisen. Das lehnten wir natürlich ab, aber sie machte uns klar, dass die Leute sich sehr aufregen würden, wenn sie über die Verbindung von alten Nazis und der Landesregierung schreiben würde, und dass wir in dem Fall das Land verlassen müssten. Sie wies auch darauf hin, dass es in die internationale Presse kommen würde. Du siehst, uns blieb gar kein anderer Ausweg.«
Er sah mich an, als wäre er überzeugt davon, dass ich ihm Recht geben würde.
In ihrem Brief an mich erwähnte Sonja, dass sie eine Frage hatte. Es drehte sich sicher um Kappler, das hatte ich mittlerweile herausbekommen, und das passte mit Hugos späterer Reise zum Dokumentationszentrum in Wien zusammen, wo er die gleiche Frage stellen wollte. Aber da gab es schon keine Sonja mehr.
Ich sah zu Stangl hoch. »Warum auf dem Støðlafjall? Wäre es nicht einfacher gewesen, sich in aller Stille ihrer zu entledigen?«
»Nein, ganz im Gegenteil. Ich kann mich selbst für diese geniale Idee nur loben. Sie wollte noch mehr Geld, das wollen solche Menschen ja immer. Darüber waren wir uns von Anfang an im Klaren, sie und ihr Freund hatten die 250.000 Kronen nur bekommen, damit uns eine Frist blieb, bis wir den besten Weg gefunden hatten, um sie loszuwerden. Als wir davon hörten, dass auf dem Støðlafjall nachts eine Veranstaltung stattfinden sollte, hatten wir die Lösung. Sonja erhielt Bescheid, uns dort zu treffen, und ich wollte die von ihr geforderte Million in bar mitbringen. Und durch einen Zufall ist sie hinuntergefallen. Niemand hat Fragen gestellt. Bis du gekommen bist.«
»Das glaube ich nicht. Mir scheint dein Plan nicht so sonderlich durchdacht. Was ist mit Hugo Jensen? Ihr habt ihm 250.000 Kronen gegeben, also muss er auch etwas gewusst haben.«
»Natürlich haben wir an Hugo Jensen gedacht«, schnaufte Stangl verärgert.
Mir fiel auf, dass er es nicht vertragen konnte, wenn man seine Vortrefflichkeit infrage stellte. Diese Kerle waren leicht verletzbar, gerade weil sie von ihrer eigenen Vollkommenheit so überzeugt waren. Aber vom Boden aus gesehen, in Handschellen, konnte es ihm ganz gleich sein, was ich dachte.
»Es war geplant, dass Hugo ins Wasser fallen sollte. Er trank nicht gerade wenig und Andreas-Petur sollte ihn an den Kai locken. Aber die beiden besoffen sich, und als er danach von Sonja hörte, tauchte er unter. Wir haben erst wieder von ihm gehört, als er das Land verließ.«
Ernst Stangl warf sich in die gegenüberliegende Koje.
»Nun ist ja wohl genug geredet worden. Bei dem Rest der Geschichte bist du ja selbst beteiligt, die kennst du ja.«
Er lächelte – das tat er gern – und die Schatten in seinem Gesicht und in der Umgebung verliehen ihm etwas Gespenstisches. Ich war in einen Hügel der Unterirdischen geraten und würde nie wieder herauskommen.
»Wie hast du die Bombe im Auto gefunden?«
»Schulze und Schultze haben die Kühlerhaube abgewischt, da gab es nicht viele Möglichkeiten. Warum habt ihr Andreas-Petur umgebracht?«
Er zuckte mit den Schultern und mit einer Handbewegung schien er diese störende Person beiseite zu wischen.
»Warum nicht? Ohne Bedeutung!«
»Ihr hättet ihn nicht foltern müssen.«
»Andreas-Petur hat mehr als einmal einen Auftrag vermasselt. Eine Ermahnung reichte nicht und außerdem sollten Hans und Günther sich auch mal amüsieren dürfen.«
Sich amüsieren, dachte ich und sah wieder den Arbeitstisch mit dem blauweißen Körper vor mir und in Nahaufnahme das getrocknete Blut unter den Nasenlöchern und die beiden in die Luft ragenden Metallstäbe.
»Du hängst einem jüdisch-protestantischen Menschenbild an, das in keiner Weise mit der Natur übereinstimmt«, fuhr Stangl fort. »Der Mensch
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