Endstation Färöer
reden hören, aber der Lärm mit den Kisten ging weiter, deshalb verstand ich nicht, was gesagt wurde.
Meine Situation war alles andere als behaglich, und das Schlimmste dabei war, dass ich keinen Ausweg sah. Alle Wege waren versperrt, die Kugel war mir sicher. Ich genoss für einen Moment diese angenehmen Gedanken.
Ernst Stangl setzte sich wieder auf die Koje mir gegenüber. Er hatte einen Pappbecher mit Kaffee, aus dem er trank. Ich roch den Kaffeeduft und mein Magen machte mich darauf aufmerksam, wie hungrig und durstig wir waren. Aber nie im Leben hätte ich dieses Untier um irgendein Entgegenkommen gebeten.
Stattdessen sagte ich: »Und was ist mit dir? Woher kommst du? Und das U-Boot?«
»Bist du nicht eigentlich mit Erzählen dran?« Die blauen Augen betrachteten mich spöttisch, während er einen Schluck Kaffee nahm.
Der Dampf stieg aus dem Becher und ich fühlte, wie steif gefroren ich war.
»Aber lass mal, du hast sowieso nichts von Bedeutung zu sagen.« Er stellte den Becher hin und begann erneut, auf und ab zu gehen. »Du hast das Gold gesehen und weißt also, dass es aus der italienischen Nationalbank stammt. 1944 konfiszierte Kesselring, damals der Oberkommandierende für Südeuropa, das Gold der italienischen Nationalbank, es waren hundertsiebzehn Tonnen. Davon tauchten vierundneunzig wieder auf, an den verschiedensten Orten, aber man wusste zumindest, was aus ihnen geworden war. Dreiundzwanzig Tonnen verschwanden und seitdem hat man in ganz Europa nach ihnen gesucht. Ich weiß, dass in den letzten Jahren bei der Suche ein großer Teil vom Sorattogebirge abgetragen wurde. Das liegt fünfzig Kilometer nördlich von Rom«, fügte er hinzu.
»In Italien sind Gerüchte im Umlauf, wonach es unter dem Gebirge eine Grotte gibt, in der das Gold sein soll. Stimmt, das Gold ist in einer Grotte, aber auf einem ganz anderen Breitengrad.«
Jetzt war Ernst Stangl in allerbester Laune. Während er hin- und herging, strich er sich mit der Hand über die Narbe auf seiner Glatze und die Augen hinter den Brillengläsern strahlten. Ob ich das als gutes oder schlechtes Zeichen werten sollte, wusste ich nicht. Auch egal, das Ende wäre sowieso das gleiche.
»Herbert Kappler, ich zweifle nicht, dass du weißt, wer das ist, hat ein gutes Stück Arbeit geleistet, als er 1977 aus Italien geflohen ist. Er hat den Journalisten berichtet, dass er dafür, dass man ihm geholfen hat, aus Italien herauszukommen, verraten habe, wo genau das Gold unter dem Sorattogebirge liegt. Und jetzt suchen sie da mit allen Kräften. In Wirklichkeit war immer geplant gewesen, das Gold zu verstecken, damit wir es später benutzen konnten. Kesselring hat dafür gesorgt, dass er in einen Verkehrsunfall verwickelt wurde, von Vietinghoff löste ihn an der Front ab und Kesselring und Kappler konnten das Gold nach Deutschland schaffen. Aber dann begann das Unglück. Im März 1945, gerade als wir uns einen friedlichen Wohnsitz suchen wollten, ernannte Hitler Kesselring zum Oberkommandierenden für ganz Westeuropa. Er löste von Rundstedt ab. Kappler wurde versetzt, ich weiß nicht mehr, wohin. Zurück blieb ich mit dem Gold. Es gelang mir, nach Kiel und weiter nach Flensburg zu kommen, bevor Deutschland mitten durchgeteilt wurde. Nun saß Kesselring in Süddeutschland und Kappler, ja, das wusste keiner. Ich brachte Kesselring dazu, Dönitz anzurufen, der uns – wenn auch widerwillig – die U 999 gab, und auf die letzte Minute gelang es mir und drei meiner Männer, fortzukommen. Viele andere hatten auch geplant, abzuhauen. Bormann und mehrere seiner Männer hatten die neuen Walther-U-Boote erwischt, aber da kam nichts dabei heraus. Eins davon sank bei Ærø, soviel ich weiß. Zwei kleinere U-Boote fuhren bis nach Argentinien. Die U 977 war so frech, in Norwegen anzulegen und Passagiere an Bord zu nehmen, aber das Boot war so beschädigt, dass es nur über Wasser fahren konnte. Deshalb fuhren sie nachts und tauchten am Tage und sie brauchten drei Monate, um ans Ziel zu kommen. Uns ging es nicht besonders gut. Wir waren gezwungen, an Land zu gehen. Der Kapitän kannte die Grotten hier und es gelang uns, das Boot auf den Strand zu setzen. Für den Kapitän und die Mannschaft hatten wir keinen Bedarf mehr, also haben wir sie uns vom Hals geschafft.«
»Wie seid ihr von den Färöern weggekommen?« Ich traute mich nicht, meine Abscheu zu zeigen, aber das wäre wahrscheinlich auch einerlei gewesen. »Ich meine, die Engländer waren doch noch nicht alle
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