Endstation Färöer
nicht.«
Er war stehen geblieben und wippte auf den Fußsohlen, sein Gesicht hatte einen träumerischen Ausdruck.
»Warum sollen die Färöer nicht ein nationalsozialistischer Staat werden? Es gibt genügend Leute, die diese Idee unterstützen werden, und wir können sie anleiten. Dann sind wir auch wieder auf heimischem Grund. Südamerika ist kein Ort für weiße Menschen. Ich könnte schwören, ihr hättet im Krieg Partei für unsere Seite ergriffen, wenn die Engländer nicht zuerst gekommen wären. Vor allem wenn wir mehr für den Fisch bezahlt hätten. Und warum nicht«, fuhr er fort. »Wir haben vieles gemeinsam. Unser wie auch euer Volk gehören zur arischen Rasse, unsere Vorväter waren Wikinger und denke nur an das Nibelungenlied und Siegfried, den Drachentöter, Sjúrðdakvæðni. Begreifst du nicht, dass wir nicht nur gegen die Juden, sondern auch gegen die Mohammedaner zusammenhalten müssen? Sie kommen aus allen Löchern hervorgekrochen, kriegen einen Haufen Kinder, die wieder einen Haufen Kinder kriegen, und alle holen sie Mann oder Frau aus ihrem Heimatland. Ein Mohammedaner braucht nur eine Generation, um sich zu verhundertfachen. Nach ein oder zwei Generationen haben sie die Macht in Europa. Aber warte nur, bald sind sie dran. Und dann könnt ihr von den Färöern dabei sein, ihr habt doch die richtige Einstellung gegenüber den Arabern, oder was meinst du?«
Er trat mir so fest gegen das rechte Bein, dass ich aufstöhnte.
»Ihr schafft nicht gerade die besten Voraussetzungen für eine Zusammenarbeit, wenn ihr herumlauft und die Leute umbringt«, sagte ich wütend. »Und wenn man unter einem Tisch angekettet ist, ist die Zusammenarbeit mit demjenigen, der einen festgemacht hat, nicht gerade das Nächstliegende.«
Ernst Stangl zuckte mit den Schultern und blies Rauch auf mich herunter.
»Du wirst jedenfalls nirgends mehr hinkommen. Es ist viel zu anstrengend, wenn du dauernd zu deinem Freund auf dem Polizeirevier rennst. Wer weiß, vielleicht reißt sich die Polizei eines schönen Tages doch noch zusammen und will uns an den Kragen. Und jetzt, wo du auch noch angefangen hast, mit einer Beamtin rumzumachen, da hören schon zwei auf dich. Nein, du bleibst hier.«
»Sie hören ja trotzdem nicht auf mich«, sagte ich in der schwachen Hoffnung, das würde seine Entscheidung ändern.
»Wer weiß, wer weiß«, antwortete der Rücken, während er nach vorn ging. Aber er kam im nächsten Augenblick zurück.
»Sie haben bereits die meisten Kisten zum Tunnel getragen, die Stunde des Abschieds naht. Wenn du eine vernünftigere Ansicht zu Juden und Negern hättest, dann hätten wir dich zweifellos brauchen können. Aber jetzt ist es zu spät.«
»Warum habt ihr Sonja Pætursdóttir umgebracht?«, beeilte ich mich zu fragen, damit Stangl den Abschied nicht beschleunigte.
»Sonja, ja«, er wiegte sich in Erinnerungen, und es schien, als gefiele ihm das, was er sah. »Sie sah gut aus, war unterhaltsam, und in der ersten Zeit war es ein Vergnügen, sie zum Essen an Bord zu haben. Du musst bedenken, dass wir seit Monaten nicht mehr in der Nähe einer Frau waren, deshalb kam sie sehr gelegen. Ihr Pech war, dass sie erst vor kurzer Zeit eine Artikelserie über den Zweiten Weltkrieg geschrieben und dafür eine Menge Bildmaterial gesichtet hatte. Sie erkannte sowohl Albert Kesselring als auch Herbert Kappler, aber das machte eigentlich nichts. Schlimmer war, dass sie Kapplers Geschichte kannte und von seiner Flucht aus Italien und seinem Aufenthalt in Deutschland wusste.«
»Warum, um alles in der Welt, habt ihr Fotos von Kesselring und Kappler an der Wand hängen, wenn ihr nicht wollt, dass die Leute davon erfahren?«, fragte ich neugierig. Diese Frage hatte ich schon mehrfach gedreht und gewendet.
»Warum nicht? Es geht niemanden etwas an, was wir aufhängen. Wir verleugnen unsere Vergangenheit nicht, wir sind stolz auf sie, wollen aber nicht auffallen. Vor Sonja war der Fischereiminister mehrfach an Bord gewesen und er hatte kein Wort dazu gesagt.«
Für Ernst Stangl war nichts Ungewöhnliches dabei, zwei berühmte Nazis an der Wand hängen zu haben. Wo er herkam, war es offenbar ganz alltäglich, und außerdem war er so arrogant, dass er die Gefühle, die Menschen gegenüber dem Dritten Reich hatten, gar nicht begriff. Sie hatten den Krieg verloren, sonst nichts. Und jetzt waren sie bereit, von vorn anzufangen.
»Hätte Sonja kein solches Getue um die Bilder gemacht und Herbert Kappler in Ruhe gelassen,
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