Endstation für neun
Tisch. Sie befingerte die Zigarette und schlug sie mehrmals gegen den Deckel des Kästchens, ehe der Schwager ihr Feuer geben durfte.
Martin Beck sah, dass sie nicht mehr ganz nüchtern war. »Ja, das weiß ich«, sagte sie. »Er war auf einer Versammlung. Wir haben um sechs zu Abend gegessen, danach hat er sich umgezogen und ist gegen sieben gegangen.«
Gunvald Larsson nahm einen Zettel und einen Kugelschreiber aus der Brusttasche und fragte, während er mit dem Stift in seinem Ohr stocherte:
»Auf einer Versammlung? Wo und mit wem?«
Assarsson sah seine Schwägerin an, und als sie nicht antwortete, sagte er:
»Es ist eine Marinekameradschaft. Sie nennen sich Die Kamele. Sie besteht aus neun Mitgliedern, die einander seit ihrer Zeit auf der Kadettenschule verbunden geblieben sind. Sie treffen sich regelmäßig bei einem Direktor Sjöberg am Narvavägen.«
»Die Kamele«, sagte Gunvald Larsson misstrauisch. »Ja«, sagte Assarsson. »Sie haben sich immer mit ›Hallo, altes Kamel) begrüßt, und so hat es sich ergeben, dass sie sich Die Kamele nannten.«
Die Witwe sah ihren Schwager kritisch an.
»Es ist ein gemeinnütziger Verein«, sagte sie. »Sie setzen sich für eine Menge wohltätiger Zwecke ein.«
»Soso«, sagte Gunvald Larsson. »Für was denn zum Beispiel?«
»Das ist geheim«, erklärte Frau Assarsson. »Nicht einmal wir Frauen durften es erfahren. Viele Vereine arbeiten so. Wirken im Verborgenen.«
Martin Beck spürte Gunvald Larssons Blick und sagte: »Frau Assarsson, wissen Sie, wann Direktor Assarsson das Treffen am Narvavägen verlassen hat?«
»Ja, ich konnte in dieser Nacht nicht schlafen, also bin ich aufgestanden und habe mir gegen zwei einen kleinen Schlummertrunk genehmigt, und als ich sah, dass Gösta nicht zu Hause war, habe ich die Schraube angerufen, so wird Direktor Sjöberg genannt, und die Schraube hat mir gesagt, Gösta sei gegen halb elf gegangen.«
Sie verstummte und drückte ihre Zigarette aus. »Was glauben Sie, Frau Assarsson, wohin war Ihr Mann mit dem Bus der Linie 47 unterwegs?«, fragte Martin Beck. Türe Assarsson warf ihm einen ängstlichen Blick zu. »Er war selbstverständlich auf dem Weg zu irgendeinem Geschäftsfreund. Mein Mann war voller Energie und hat hart für seine Firma gearbeitet - nun ja, Türe hier ist ja natürlich auch Teilhaber -, und es war nicht weiter ungewöhnlich, dass er auch nachts Geschäfte machte. Zum Beispiel, wenn Leute aus der Provinz kamen, die nur über Nacht in Stockholm blieben und so…«
Sie schien den Faden zu verlieren, hob ihr leeres Glas und drehte es zwischen den Fingern. Gunvald Larsson war darin vertieft, auf seinen Zettel zu schreiben. Martin Beck streckte ein Bein aus und massierte sein Knie.
»Haben Sie Kinder, Frau Assarsson?«, fragte er. Frau Assarsson setzte das Glas vor ihrem Schwager ab, um es auffüllen zu lassen, aber er stellte es, ohne sie dabei anzusehen, sofort auf das Sideboard. Sie warf ihm einen verbitterten Blick zu, stand mühsam auf und wischte etwas Zigarettenasche fort, die auf ihren Rock gefallen war.
»Nein, Kommissar Peck, habe ich nicht. Mein Mann konnte mir leider keine Kinder schenken.«
Sie starrte einen Moment mit glasigen Augen auf einen Punkt hinter Martin Becks linkem Ohr. Er sah jetzt, dass sie ziemlich betrunken war. Sie blinzelte langsam zwei Mal und sah ihn dann an.
»Sind Ihre Eltern Amerikaner, Kommissar Peck?«, fragte sie. »Nein«, antwortete Martin Beck.
Gunvald Larsson schrieb immer noch. Martin Beck streckte den Hals und blickte auf den Zettel. Er war mit Kamelen vollgekritzelt.
»Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden, Kommissar Peck, Kommissar Larsson, ich muss mich nun leider zurückziehen«, sagte Frau Assarsson und ging leicht schwankend zur Tür.
»Leben Sie wohl, es war sehr nett«, sagte sie undeutlich und schloss die Tür hinter sich. Gunvald Larsson steckte seinen Stift und den Zettel mit den Kamelen ein und kämpfte sich aus seinem Sessel. »Mit wem hat er geschlafen?«, fragte er, ohne Assarsson anzusehen. Assarsson warf einen Blick auf die geschlossene Tür. »Eivor Olsson«, sagte er. »Ein Mädchen aus dem Büro.«
17
Über diesen widerwärtigen Mittwoch gab es kaum etwas Positives zu berichten. Die Abendzeitungen hatten wenig überraschend die Geschichte von Schwerin ausgegraben und präsentierten sie in groß aufgemachten Reportagen, die mit Details und sarkastischen Seitenhieben auf die Polizei gespickt waren. Die Ermittlungen seien bereits
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