Endstation für neun
in eine Sackgasse geraten. Die Polizei habe den einzigen wichtigen Zeugen fortgeschmuggelt. Die Polizei habe Presse und Öffentlichkeit ins Gesicht gelogen.
Wenn die Presse und der große Detektiv Öffentlichkeit keine korrekten Informationen bekämen, wie solle die Polizei dann auf ihre Mithilfe zählen können?
Nur dass Schwerin bereits gestorben war, meldeten die Zeitungen nicht, aber das lag sicher bloß am frühen Redaktionsschluss.
Dafür war es ihnen irgendwie gelungen, die traurige Wahrheit über den Zustand des Tatorts beim Eintreffen der Kriminaltechniker herauszubekommen. Wertvolle Zeit war verloren gegangen.
Leider hatte sich der Massenmord zu allem Überfluss auch noch zeitgleich mit einer bereits Wochen vorher beschlossenen Razzia gegen unsittliche und pornographische Lektüre in Zeitungskiosken und Tabakwarenläden ereignet.
Eine Zeitung war so freundlich, an prominenter Stelle darauf hinzuweisen, dass ein geisteskranker Massenmörder in der Stadt Amok lief und die Öffentlichkeit in panische Angst versetzte.
Und während die Spur kalt wurde, hieß es weiter, sei eine ganze Armee von tapferen Gesetzeshütern durch die Stadt getrampelt und habe sich pornographische Bilder angesehen, während sie sich am Kopf kratzten und versuchten, die schwammigen Anweisungen des Justizministeriums bezüglich der Frage zu interpretieren, was als unsittlich zu gelten habe und was nicht. Als Kollberg gegen vier Uhr nachmittags in der Kungsholmsgatan eintraf, hatte er Eiskristalle in Haaren und Augenbrauen, einen verkniffenen Gesichtsausdruck und die Abendzeitungen unter dem Arm.
»Wenn wir so viele Spitzel hätten wie diese Käseblättchen, brauchten wir keinen Finger mehr zu rühren«, sagte er. »Alles eine Frage des Geldes«, meinte Melander. »So schlau bin ich auch. Macht das die Sache besser?«
»Nein«, erwiderte Melander. »Aber so ist es nun einmal.« Er klopfte seine Pfeife aus und wandte sich erneut seinen Unterlagen zu.
»Hast du deine Gespräche mit den Psychologen beendet?«, fragte Kollberg säuerlich.
»Ja«, erklärte Melander, ohne aufzublicken. »Das Kompendium ist im Druck.« In der Ermittlungszentrale war ein neues Gesicht aufgetaucht. Ein Drittel der versprochenen Verstärkung war eingetroffen: Mänsson aus Malmö.
Mänsson war fast so groß wie Gunvald Larsson, hatte jedoch eine wesentlich friedfertigere Ausstrahlung. Er war in der Nacht im eigenen Wagen aus Schonen heraufgefahren, und zwar nicht, um die läppischen 46 Öre pro Kilometer kassieren zu können, sondern weil er völlig zu Recht der Meinung war, dass es sich als nützlich erweisen konnte, ein Auto mit einem Malmöer Nummernschild zur Verfügung zu haben.
Im Moment stand er am Fenster und sah hinaus, während er auf einem Zahnstocher kaute.
»Kann ich was tun?«, fragte er.
»Es gibt da ein paar Leute, die wir noch nicht vernommen haben. Hier zum Beispiel. Frau Esther Källström. Sie ist die Witwe eines Opfers.«
»Kfz-Meister Johan Källström?«
»Ja, genau. Karlbergsvägen 98.«
»Wo liegt der Karlbergsvägen?«
»Dahinten hängt ein Stadtplan«, sagte Kollberg müde. Mänsson legte den zerkauten Zahnstocher in Melanders Aschenbecher, zog einen neuen aus der Brusttasche und betrachtete ihn ohne jeden Enthusiasmus. Dann studierte er eine Weile den Stadtplan und zog sich den Mantel über. In der Tür drehte er sich noch einmal um und sah Kollberg an.
»Du?«
»Ja, was ist?«
»Kennst du hier ein Geschäft, in dem man Zahnstocher mit Geschmack kaufen kann?«
»Nein, beim besten Willen nicht.«
»Schade«, sagte Mänsson enttäuscht. Ehe er ging, sagte er erklärend:
»Die soll es nämlich geben. Ich bin dabei, mir das Rauchen abzugewöhnen.«
Als die Tür ins Schloss gefallen war, sah Kollberg Melander an und sagte:
»Ich bin dem Burschen schon einmal begegnet. Letzten Sommer in Malmö. Da hat er haargenau das Gleiche gesagt.«
»Über die Zahnstocher?«
»Ja.«
»Merkwürdig.«
»Was?«
»Dass er sich in mehr als einem Jahr in einer solchen Angelegenheit keine Klarheit verschaffen konnte.«
»Ach, hör doch auf«, sagte Kollberg. »Du bist hoffnungslos.« Melander begann seine Pfeife zu stopfen. Immer noch ohne aufzublicken, sagte er: »Hast du schlechte Laune?«
»Allerdings«, antwortete Kollberg.
»Es hat keinen Sinn, sich zu grämen. Dann fällt einem alles nur noch schwerer.«
»Das musst du gerade sagen«, erwiderte Kollberg. »Du hast ja auch kein Temperament.« Darauf antwortete Melander
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