Endstation für neun
Grunde kein besonderes Interesse an Sex hatte, außer ab und zu mal.«
»Wie lange ging das so?«
»Bis Mitte September. Danach war er oft nicht zu Hause, weil er immer unheimlich viel zu arbeiten hatte.«
»Was überhaupt nicht stimmte«, bemerkte Kollberg. Er sah sie lange an. Schließlich sagte er: »Danke. Du bist in Ordnung. Ich mag dich.« Sie schaute ihn überrascht und leicht misstrauisch an. »Und er hat kein Wort darüber verloren, womit er sich beschäftigt hat?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Nicht einmal etwas angedeutet?« Erneutes Kopfschütteln.
»Und du hast nichts Besonderes bemerkt?«
»Er war oft draußen. Ich meine, im Freien. So etwas merkt man eben. Er kam nass und durchgefroren nach Hause.«
Kollberg nickte.
»Ich bin ein paarmal davon wach geworden, dass er sich spät-nachts kalt wie ein Eiszapfen zu mir ins Bett legte. Aber der letzte Fall, über den er sich mit mir unterhalten hat, war einer, den er in der ersten Septemberhälfte bearbeitete. Ein Mann, der seine Frau umgebracht hatte. Ich glaube, er hieß Birgersson.«
»Ich erinnere mich«, sagte Kollberg.
»Eine Familientragödie.
Eine ganz einfache und völlig unspektakuläre Geschichte. Ich begreife bis heute nicht, warum wir überhaupt eingeschaltet worden sind. Ein Fall wie aus dem Lehrbuch. Unglückliche Ehe, Neurosen, Streit, kein Geld. Als der Mann am Ende seine Frau umbrachte, war es mehr oder weniger ein Unfall. Er wollte sich das Leben nehmen, hat sich nicht getraut und ist stattdessen zur Polizei gegangen. Aber es stimmt, Stenström hat sich um die Sache gekümmert. Er hat den Mann vernommen.«
»Warte mal, bei den Vernehmungen ist was passiert.«
»Was denn?«
»Ich weiß es nicht. Aber eines Abends kam Äke nach Hause und war total aufgekratzt.«
»Da gab es nicht viel, weswegen man aufgekratzt sein konnte. Eine traurige Geschichte. Ein typisches Wohlstandsverbrechen. Ein isolierter Mensch mit einer vom Statusdenken vergifteten Frau, die pausenlos an ihm herumgemeckert hat, weil er nicht genug Geld verdiente. Weil sie sich kein Motorboot und kein Sommerhaus leisten konnten und das Auto nicht so schick war wie das der Nachbarn.«
»Aber bei den Verhören hat der Mann Äke irgendetwas gesagt.«
»Was denn?«
»Weiß nicht. Aber es war etwas, was Äke unerhört wichtig fand. Ich habe ihn natürlich das Gleiche gefragt wie du mich, aber er hat nur gelacht und gesagt, das würde ich noch früh genug erfahren.«
»Das waren seine Worte?«
»Das wirst du noch früh genug erfahren, liebe Äsa. Das hat er wortwörtlich gesagt. Er schien sehr optimistisch.«
»Seltsam.«
Sie schwiegen eine Weile. Dann schüttelte sich Kollberg, nahm das aufgeschlagene Buch vom Tisch und sagte:
»Verstehst du diese Kommentare?
Asa Torell stand auf, kam um den Tisch herum und legte die Hand auf seine Schulter, während sie in das Buch schaute. »Wendel und Svensson schreiben, dass der Lustmörder oft impotent ist und abnorme Befriedigung erzielt, indem er eine Gewalttat begeht. Und am Seitenrand hat Äke ›oder umgekehrt) geschrieben.«
Kollberg zuckte mit den Schultern und sagte:
»Ja. Er meint natürlich, dass der Lustmörder auch übermäßig auf Sex fixiert sein kann.« Sie zog abrupt ihre Hand weg. Er blickte zu ihr auf und bemerkte erstaunt, dass sie wieder rot geworden war. »Nein, das meint er nicht«, sagte sie. »Was meint er dann?«
»Das genaue Gegenteil. Dass die Frau, also das Opfer, ihr Leben verlieren kann, weil sie zu sehr auf Sex fixiert ist.«
»Woher willst du das wissen?«
»Weil wir die Sache einmal diskutiert haben. Als ihr euch mit dieser Amerikanerin beschäftigt habt, die im Götakanal ermordet worden ist.«
»Roseanna«, sagte Kollberg. Er dachte eine Weile nach, dann sagte er: »Aber damals hatte er das Buch noch gar nicht. Ich weiß noch, dass ich es beim Aufräumen meiner Schubladen fand. Als wir von Kristineberg umzogen. Das war viel später.«
»Das andere, was er geschrieben hat, kommt mir reichlich unlogisch vor«, sagte sie.
»Ja. Gibt es keinen Notizblock oder Kalender oder sonst was in der Art, worin er Dinge notiert hat?«
»Hatte er sein Notizbuch nicht dabei?«
»Doch. Wir haben es uns angesehen. Es stand nichts Interessantes darin.«
»Ich habe die ganze Wohnung durchsucht«, meinte sie. »Und was hast du gefunden?«
»Im Grunde nichts. Es war nicht seine Art, etwas zu verstecken. Außerdem war er sehr ordentlich. Er hatte natürlich noch ein zweites Notizbuch. Es liegt drüben
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