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Endstation für neun

Endstation für neun

Titel: Endstation für neun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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kennenlernte, war er noch ein kleiner Junge«, sagte sie ruhig.
    »Inwiefern?«
    »Er war schüchtern und naiv. Als ihn vor drei Wochen jemand umgebracht hat, war er erwachsen. Und diese Entwicklung hat in der Hauptsache nicht im Dienst zusammen mit dir und Beck stattgefunden, sondern hier. Zu Hause. Als wir das erste Mal zusammen waren, in dem Zimmer und dem Bett da, war die Pistole das Letzte, was er ablegte.« Kollberg hob die Augenbrauen ein wenig. »Sein Hemd behielt er nämlich an«, sagte sie. »Und die Pistole legte er auf den Nachttisch. Ich war platt. Ehrlich gesagt habe ich damals nicht einmal gewusst, dass er Polizist war, und mich wirklich gefragt, was für ein Irrer da in meinem Bett gelandet ist.« Sie blickte Kollberg ernst an.
    »Wir haben uns zu dem Zeitpunkt nicht wirklich ineinander verliebt, aber beim nächsten Mal. Und dann habe ich kapiert. Äke war damals fünfundzwanzig, und ich war gerade zwanzig geworden. Aber wenn einer von uns als erwachsen bezeichnet werden konnte, oder als halbwegs reif, dann ich. Er lief mit der Pistole herum, weil er dachte, es wäre cool. Wie gesagt, er war naiv, und es machte ihm riesigen Spaß, mich dort nackt liegen und einen Kerl dämlich anstarren zu sehen, der Hemd und Schulterhalfter trug. Er hat diese Phase bald hinter sich gelassen, aber da war es schon zu einer Gewohnheit geworden. Außerdem hat er sich wirklich für Schusswaffen…« Sie unterbrach sich und sagte: »Bist du mutig?
    Körperlich mutig?«
    »Nicht besonders.«
    »Äke war körperlich feige, obwohl er alles getan hat, um seine Feigheit zu überwinden. Die Pistole gab ihm ein Gefühl von Sicherheit.« Kollberg wandte ein:
    »Du hast gesagt, er sei erwachsen geworden. Er war Polizist, und rein beruflich gesehen ist es nicht sonderlich erwachsen, sich hinterrücks von der Person erschießen zu lassen, die man beschattet. Ich habe schon darauf hingewiesen, wie schwer es mir fällt, das zu glauben.«
    »Richtig«, sagte Äsa Torell. »Und ich glaube es definitiv nicht. Da stimmt was nicht.« Kollberg sann über ihre Worte nach. Kurz darauf sagte er: »Tatsache bleibt, er hat sich mit etwas beschäftigt, und keiner weiß, womit. Ich nicht. Und du auch nicht. Habe ich recht?«
    »Ja.«
    »Hatte er sich irgendwie verändert? Bevor es passiert ist?«
    Sie antwortete nicht. Hob die linke Hand und fuhr sich mit den Fingern durch die kurzen, dunklen Haare.
    »Ja«, sagte sie schließlich.
    »Inwiefern?«
    »Das lässt sich nicht so leicht sagen.«
    »Gibt es eine Verbindung zwischen den Fotos und seiner Veränderung?«
    »Ja«, antwortete sie, »und ob.«
    Sie streckte die Hand aus, drehte die Aufnahmen um und betrachtete sie.
    »Um mit einem anderen Menschen über das hier zu sprechen, muss man ihm schon sehr vertrauen, und ich bin mir nicht sicher, ob ich dieses Vertrauen zu dir habe«, sagte sie.
    »Aber ich werde es trotzdem versuchen.«
    Kollberg bekam feuchte Hände und wischte sie an den Hosenbeinen trocken. Jetzt waren die Rollen vertauscht. Sie war ruhig, und er war nervös.
    »Ich habe Äke geliebt«, sagte sie. »Von Anfang an. In sexueller Hinsicht passten wir allerdings nicht besonders gut zusammen. Wir waren verschieden, was Tempo und Temperament betraf. Wir hatten nicht die gleiche Art von Erwartungen.« Äsa sah ihn forschend an.
    »Aber man kann trotzdem glücklich werden. Man kann lernen. Wusstest du das?«
    »Nein.«
    »Wir haben es bewiesen. Wir haben gelernt. Ich glaube, dass du das verstehst.« Kollberg nickte.
    »Beck würde das niemals verstehen«, fuhr sie fort. »Rönn natürlich auch nicht, und auch sonst niemand, den ich kenne.« Sie zuckte mit den Schultern.
    »Wie dem auch sei, wir haben gelernt. Wir haben uns einander angepasst, und von da an war es richtig schön.«
    Kollberg vergaß für einen Moment, ihr zuzuhören. Dies war eine Alternative, über deren Existenz er noch nie nachgedacht hatte.
    »Das ist kompliziert«, sagte sie. »Ich muss es erklären. Wenn ich das nicht tue, kann ich auch nicht verdeutlichen, wie Äke sich verändert hat. Und selbst wenn ich dir jede Menge Details liefere, die definitiv meine Privatsache sind, ist nicht gesagt, dass du es verstehst. Aber ich hoffe es.« Sie hustete und sagte sachlich:
    »Ich habe in den letzten Wochen viel zu viel geraucht.« Kollberg spürte, dass sich etwas veränderte. Plötzlich lächelte er. Und Äsa Torell lächelte auch, ein wenig bitter zwar, aber immerhin.
    »Also«, sagte sie, »bringen wir es hinter uns, je

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