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Endstation für neun

Endstation für neun

Titel: Endstation für neun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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schneller, desto besser. Ich bin leider Gottes ziemlich schüchtern. Was schon merkwürdig ist.«
    »Das ist überhaupt nicht seltsam«, erwiderte er. »Ich selbst bin wahnsinnig schüchtern.
    Schüchternheit und Empfindsamkeit sind übrigens untrennbar miteinander verbunden.«
    »Bevor ich Äke kennenlernte, dachte ich fast schon, ich wäre eine Nymphomanin oder verrückt«, sagte sie schnell. »Dann haben wir uns ineinander verliebt und gelernt, zueinander zu passen. Ich habe da viel Kraft hineingesteckt. Äke übrigens auch, und wir haben es geschafft. Es ging uns gut, besser, als ich mir je erträumt hätte. Ich vergaß, dass ich mehr an Sex interessiert war als er; wir sprachen zu Anfang zwei-, dreimal darüber, danach haben wir uns nie wieder über unsere Sexualität unterhalten. Es war nicht nötig. Wir schliefen miteinander, wenn er Lust hatte, was ein oder zwei oder höchstens dreimal in der Woche der Fall war, wir machten es sehr gut und verspürten nie das Bedürfnis nach etwas anderem. Deshalb haben wir uns auch nicht gegenseitig betrogen, wie du es so geistreich ausgedrückt hast. Aber dann…«
    »… plötzlich letzten Sommer«, ergänzte Kollberg. Sie warf ihm einen schnellen, anerkennenden Blick zu. »Ja, genau. Meine Theaterbesuche habe ich übrigens auch aufgegeben, als ich in die Polizei sozusagen eingeheiratet habe. Jedenfalls sind wir letzten Sommer nach Mallorca gefahren. Währenddessen hattet ihr hier einen schwierigen und sehr brutalen Fall.«
    »Ja. Die Parkmorde.«
    »Genau. Als wir zurückkamen, war der Fall gelöst. Äke war richtig sauer.«
    Sie verstummte, sprach aber nach wenigen Sekunden genauso schnell und fließend weiter.
    »Das klingt übel, aber vieles von dem, was ich gesagt habe und noch sagen werde, klingt übel. Tatsache ist, dass er sauer war, weil er die Ermittlungen verpasst hatte. Äke war sehr ehrgeizig, es war fast schon krankhaft. Ich weiß genau, dass er immer davon geträumt hat, etwas auf die Spur zu kommen, etwas Großem, das alle anderen übersehen haben. Außerdem war er deutlich jünger als ihr anderen und hatte zumindest früher oft das Gefühl, auf der Dienststelle schikaniert zu werden. Ich weiß zum Beispiel, dass du seiner Meinung nach einer von denen gewesen bist, die ihn am schlimmsten schikaniert haben.«
    »Da hatte er leider recht.«
    »Er hat dich nicht besonders gemocht. Beck oder Melander zum Beispiel konnte er besser leiden. Ich sah das etwas anders, aber das gehört nicht hierher. Irgendwann Ende Juli oder Anfang August hat er sich, wie gesagt, urplötzlich und auf eine Art verändert, die unser ganzes gemeinsames Leben auf den Kopf gestellt hat. Damals hat er die Fotos gemacht. Übrigens noch viel mehr, jede Menge Filme. Wir hatten, wie ich dir schon erzählt habe, eine Art Routine für unser Zusammenleben entwickelt, und sie funktionierte gut. Nun wurde sie auf einen Schlag aus den Angeln gehoben, und die treibende Kraft dahinter war nicht ich, sondern er. Wir… wir waren zusammen…«
    »Ihr habt miteinander geschlafen«, sagte Kollberg. »Okay, wir haben an einem Tag so oft miteinander geschlafen wie sonst normalerweise in einem Monat. An vielen Tagen ließ er mich nicht mal mehr zur Arbeit gehen. Ich will gar nicht leugnen, dass ich freudig überrascht war. Und sehr erstaunt. Immerhin waren wir schon mehr als vier Jahre zusammen. Aber…«
    »Sprich weiter«, sagte Kollberg. Sie holte tief Luft.
    »Ist doch klar, dass ich es toll fand«, sagte sie. »Dass er Schubkarre mit mir fuhr und mich um vier Uhr nachts weckte und nicht mehr schlafen oder Kleider tragen oder zur Arbeit gehen ließ. Dass er mich in der Küche nicht in Frieden ließ und mich auf der Spüle und in der Badewanne und von vorn und von hinten und kopfüber und auf wirklich jedem Stuhl nahm. Aber er selbst hatte sich im Grunde nicht verändert, und nach einer Weile hatte ich das Gefühl, dass er mit mir eine Art Experiment anstellte. Ich habe ihn darauf angesprochen, aber er hat nur gelacht.«
    »Gelacht?«
    »Ja, er war in der Zeit immer bestens gelaunt. Bis… ja, bis er ermordet wurde.«
    »Warum?«
    »Das weiß ich eben nicht. Aber eins habe ich immerhin begriffen, nachdem ich den ersten Schock überwunden hatte.«
    »Was?«
    »Dass er mich als eine Art Versuchskaninchen benutzt hat. Er kannte mich ja wirklich in und auswendig. Er wusste, dass ich wahnsinnig geil werden konnte, wenn er sich ein bisschen Mühe gab. Und ich wusste alles über ihn. Zum Beispiel, dass er im

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