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Endstation Kabul

Endstation Kabul

Titel: Endstation Kabul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Wohlgethan
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Mondlandschaft. Überall sahen wir kleine Krater und Geröllfelder, von einem fahlen, fast bläulichen Licht überdeckt. Ein paar Kilometer vor unserem Ziel verließen wir die Straße. Wir wollten nun über kleinere Wege einen Aussichtspunkt erreichen, um uns einen Überblick zu verschaffen. Die ungeklärte Minenlage in diesem Gebiet regte uns alle nicht besonders auf. Wir verließen uns auf eine einfache Grundregel: Wenn wir einen Weg mit Fahrspuren fanden, wurde er offensichtlich von Einheimischen genutzt, was eine Gefährdung ausschloss – das hofften wir zumindest. Im späteren Verlauf wurden die Straßen und Wege immer schlechter und waren schließlich nicht mehr zu benutzen.
    Nur noch die allgegenwärtigen Wadis waren vorhanden. An einigen Stellen stieg sogar mein Teamführer aus dem Fahrzeug und ging unserer Fahrzeugkolonne zu Fuß voran, um das Gelände zu sondieren. Dabei gab er einen fatalistischen Spruch zum Besten: »Das Gute an Minen ist: Man kommt immer nach Hause!« Gott sei Dank passierte nichts.
    Als es dämmerte, hatten wir den GPS-Koordinaten zufolge Mayda beinahe erreicht. Wir waren fast am Ziel, als das Wadi endete und wir vor einer zwei Meter hohen Wand aus Erde standen. Hier war kein Weiterkommen für uns. Wir fuhren ein paar Meter zurück und verließen mit den Fahrzeugen das Wadi. Die ganze Zeit zuvor hatten wir uns parallel zu einer größeren Straße bewegt, auf die wir nun umschwenkten. Wir waren erst wenige Meter auf der Straße unterwegs, als wir rechts von uns eine Ortschaft liegen sahen: Mayda, vielleicht noch zwei Kilometer entfernt. Links von uns zog sich eine Hügelkette bis zum Horizont. Plötzlich bemerkten wir Bewegungen auf diesen Bergen. Verflucht, das mussten Wachposten sein! Unsere unbemerkte Annäherung hatte sich somit erledigt. Die Männer bewegten sich auf einmal hektisch hin und her, vermutlich gaben sie unser Auftauchen über Funk durch. Und tatsächlich: Kurz darauf waren auch in der Ortschaft deutlich Bewegungen zu erkennen. Noch viel schlimmer allerdings war das Geräusch, das wir nun hörten: startende Panzermotoren! Uns wurde immer mulmiger zumute. Damit hatten wir nicht gerechnet.
    Schon wurden am Ortsrand die schweren Ungetüme sichtbar, eindeutig in unsere Richtung ausgerichtet. Wir standen wie auf dem Präsentierteller in knapp zweitausend Metern Entfernung. Jetzt kommt gleich ein kleiner Lichtblitz und eine weiße Rauchwolke aus dem Panzerrohr, und dann – rumms! – schlägt eine Granate nicht weit von uns ein, dachte ich. Angespannt beobachteten wir weiter, was passierte, hatten aber schon für eine schnelle Flucht die Fahrzeuge gewendet.
    Eine Zuordnung dieser hochbewaffneten Verbände war nicht möglich, aber die schnelle Reaktion und die Alarmposten auf den Hügeln sprachen eine deutliche Sprache. Taliban hin oder her: Diese Truppenteile waren uns garantiert nicht freundlich gesinnt. Zumindest hatten die ISAF-Aufschriften auf unseren Fahrzeugen sie nicht davon abgehalten, solche Geschütze gegen uns aufzufahren. Die Sache wurde uns deutlich zu heiß. Endlich setzte unser Teamführer über Funk den erlösenden Ausweichbefehl ab. Sofort fuhren wir an und erreichten kurz darauf Höchstgeschwindigkeit. Nur schnell raus aus dem Wirkungsbereich der Panzer! Keiner von uns wollte abwarten, bis wirklich das Feuer auf uns eröffnet wurde. Unsere Aufklärungsergebnisse mussten erst einmal reichen.
    Schon nach knapp zwei Stunden hatten wir den Rand der AOR erreicht. Uns allen wurde es etwas leichter ums Herz. Einer meiner Kameraden sprach uns allen aus dem Herzen: »Zum Glück war das Wadi zu Ende und hat nicht weiter zur Ortschaft geführt!« Wir alle dachten dasselbe. Nicht auszumalen, was passiert wäre, wenn wir noch näher an Mayda und die dort stationierten Verbände herangekommen wären. Hätte sich einer der Panzerkommandanten entschlossen uns anzugreifen, hätten wir keine Chance gehabt.
    Zurück im Camp gaben wir im Laufe des Tages unsere Berichte an die OPZ. Diese wurden natürlich auch an die Verantwortlichen der deutschen KMNB weitergereicht. Welche oder ob überhaupt Maßnahmen eingeleitet wurden, weiß ich leider bis heute nicht. Ob Mayda damals die Heimat von Taliban-Verbänden war oder womöglich noch heute ist oder dort Angehörige einer der vielen privaten Armeen irgendwelcher Warlords lebten, wird wohl immer ein Geheimnis bleiben. Allerdings gab es noch jede Menge anderer verlassener Bergdörfer, in denen sich international gesuchte Terroristen

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