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Endstation Kabul

Endstation Kabul

Titel: Endstation Kabul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Wohlgethan
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kreidebleich. Er hatte wohl mit allem Möglichen gerechnet, aber nicht mit dieser Erklärung. Befriedigt, aber noch mit jeder Menge Adrenalin im Blut, führte ich die drei Neuankömmlinge zurück zu den Fahrzeugen. Hinter uns zeterte der Major immer noch. Bedrückt und schweigend fuhren wir zurück ins Camp.
    Unsere Vierergruppe löste sich ohne großen Wortwechsel und ohne Nachbesprechung im Camp auf. Wahrscheinlich waren die drei noch von den vielen Eindrücken der letzten Stunden erschlagen, und auch ich war eher wortkarg. Ich ging sofort zu einem Oberst des J2 und schilderte ihm den Vorfall am Stadion. »Schon gut, Sie haben alles richtig gemacht«, versicherte er mir – was mir auch nicht wirklich helfen sollte. Die Sache hatte nämlich noch ein Nachspiel. Der Major wandte sich mit seiner Version der Story direkt an meinen Disziplinarvorgesetzten, der ja nicht gerade mein bester Freund war. Damit stand ich Hauptmann Fiebig gegenüber wieder einmal nicht gut da. Und das, obwohl ich am Stadion Schlimmeres verhindert hatte. Der Rest des Tages plätscherte so vor sich hin, ich fühlte mich regelrecht betäubt. Nachdem meine niederländischen Kameraden von ihrer Spritztour zurück waren, schüttete ich ihnen mein Herz aus. Sie waren ziemlich aufgebracht. Vor allem darüber, dass der Major behauptet hatte, sie hätten in der Nähe in Bereitschaft gestanden. Nun war es an mir, sie zu beruhigen. Tatsächlich hat sich das Blatt an diesem Tag unwiderruflich für mich gewendet.
     
    Am nächsten Tag hatte mein Team 4.11 einen Termin in der niederländischen Botschaft. Wir wollten mit den Botschaftsangehörigen über die Ortschaft Mayda reden, wo sich unseren Informationen zufolge Taliban-Kämpfer aufhalten sollten. Ein schöner Nebeneffekt war, dass es in der Botschaft immer gutes Essen gab, was man vom Camp nicht behaupten konnte. Auch aus einem anderen Grund waren die Angehörigen der Botschaft interessante Gesprächspartner für uns: Als Diplomaten hatten sie natürlich noch andere Möglichkeiten und Mittel, an Informationen zu kommen – auch weil sie nicht sklavisch an die AOR gebunden waren und sich freier bewegen konnten. Leider hatten sie keine Erkenntnisse über Mayda, nur kleine Informationsfetzen über dieses Gebiet im Allgemeinen ergatterten wir von ichnen. Damit stand für die Kommandos fest: Wir müssen selber dorthin und nachsehen, um unser Lagebild zu vervollständigen. Mit vollen Bäuchen machten wir uns abends zurück ins Camp. Ich hatte keine Ahnung, dass mir der Tag der »Wahrheit« bevorstand.
    Am nächsten Morgen erreichte mich die Meldung, dass ich mich bei Hauptmann Fiebig, meinem Chef bei der Aufklärungskompanie, melden solle. Mit einem komischen Gefühl in der Magengegend ging ich gleich nach dem Frühstück zu ihm. Meine Kameraden wünschten mir viel Glück, was ich bitter nötig hatte. Kaum war ich vor ihm angetreten, bombardierte er mich mit Vorwürfen. Es ging – wie sollte es anders sein – um die Sache am Stadion. Allein mein Entschluss, diesen Befehl zu verweigern, war der Inhalt dieses doch sehr einseitigen Gespräches.
    Nach minutenlangen Belehrungen versuchte ich Hauptmann Fiebig zu erklären, was mich zu dieser Handlung bewogen hatte. Doch ich drang damit nicht zu ihm durch. Die Lage vor Ort, die Ausrüstung unseres kleinen Trupps und die mangelnde Erfahrung der drei Neuankömmlinge – das war für ihn alles nicht ausschlaggebend. Wieder und wieder, wie bei einer hängenden Schallplatte, musste ich mir anhören, dass es nicht sein könne, an der Kompetenz eines Offiziers zu zweifeln. Als er endlich mit seiner Standpauke fertig war, erteilte er mir einen Auftrag für die Nacht.
    Ich sollte ein Aufklärungsgerät sichern, die sogenannte EULedas steht für »elektronisches Unterstützungsgerät leicht«. Dieses war, südlich hinter dem Camp, auf einem Berg stationiert. Das Gerät befand sich auf einem Jeep und sollte Bewegungen in dem umliegenden Gelände aufklären. Die Botschaft war angekommen: Ich musste also Wache schieben. Nun gut, dachte ich mir, jetzt bloß nicht die Situation eskalieren lassen. Ich ging zurück zu meinem Zelt und griff mir meine Ausrüstung, um mich kurz danach bei den Kommandos abzumelden. Captain Hemskerk, der Chef der KCT, bot mir an, sich einmal mit meinem deutschen Vorgesetzten zu unterhalten. Auch wenn das gut gemeint war von ihm: Ein Gespräch mit so einem Mann würde eh nichts bringen. Von einem niederländischen Offizier würde er sich ebenso wenig

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