Endstation Kabul
überzeugen lassen wie von mir. Bevor die Stimmung zwischen mir und Hauptmann Fiebig noch schlechter würde, solle er es einfach auf sich bewenden lassen, bat ich meinen niederländischen Chef. Ich verabschiedete mich von den Niederländern und begab mich in den Bereich, wo ich die Bediener des Aufklärungsradars treffen sollte.
Den Führer dieser Aufklärungsaktion kannte ich. Er hatte bereits mitbekommen, was für ein Donnerwetter ich über mich ergehen lassen musste. »Die werden dich wohl bald nach Hause schicken«, meinte er mitleidig. Ich zuckte mit den Schultern. Und wennschon. Die Entscheidung über meinen weiteren Verbleib im Einsatzland lag ohnehin nicht in meiner Hand, und mittlerweile war mir alles egal. Dann wies er mich in die Karte ein und erklärte mir unseren Auftrag für die Nacht. Der Dienstantritt fiel mir dann gar nicht mal so schwer: Eine sehr milde und schöne Nacht lag vor uns. Mit zwei Fahrzeugen, auf einem davon die EULe, und vier Männern fuhren wir zu unserem Einsatzort. Auf dem Berg angekommen, wurde das Gerät betriebsbereit gemacht, und die Überwachung begann. Mein einziger Job war, dafür zu sorgen, dass uns niemand zu nahe kam. Ich stellte mein Fahrzeug hinter den Jeep der Aufklärer und machte mich mit der Umgebung vertraut. Völlig deckungsloses Gelände auf diesem kleinen Berg – das erleichterte mir meinen Auftrag ungemein. Niemand konnte unbemerkt hier zu uns heraufgelangen. Vor allem, da die Nacht sternenklar werden sollte und also sehr viel Restlicht zur Verfügung stand. Die Sicht durch mein Nachtsichtgerät war entsprechend außergewöhnlich gut.
Ich hatte alles im Blick. Ruhig, wie es dort oben war, entspannte ich mich langsam. Friedlich betrachtete ich mir den Sternenhimmel über Kabul und dachte auch kurz über meine Situation nach. Ich kam aber zu dem Schluss, dass die Nacht hier oben viel zu schön war, um sinnlos herumzugrübeln. Also nutzte ich die Zeit, um mich mit meinen Kameraden zu unterhalten. Als die Dämmerung begann, bauten wir ab und fuhren zurück zum Camp. Hauptmann Fiebig begrüßte mich mit einem hämischen Grinsen und fragte mich, ob es mir dort oben gefallen habe. »Klar«, sagte ich und erntete daraufhin einen grimmigen Blick. Was wollte er hören? Dass ich »geläutert« von diesem Berg gestiegen war? Eigentlich war es mir auch egal, was er von mir hielt. Einigen Leuten kann man es eh nie recht machen, egal was man tut. Mit knurrendem Magen ging ich mit den Kameraden der EULe zum Frühstück.
Am 19. September 2002 bekamen wir endlich den offiziellen Auftrag von unserer OPZ, in Richtung Mayda aufzuklären. Ob die KMNB über diese Aktion Bescheid wusste, kann ich nicht sagen. Ich glaube aber, dass die Niederländer diese Information weitergegeben haben, um ein gewisses Maß an Rückendeckung zu haben. Es waren nun schon drei Wochen vergangen seit der Begegnung mit den acht Afghanen auf dem Berg, die uns von dem Nest der Taliban berichtet hatten. Endlich kamen wir zu unserem Objekt der Begierde. Ich war gespannt, was wir finden oder herausbekommen würden. Wir mussten uns aber noch ein wenig gedulden. Die Fahrt sollte erst zwei Tage später losgehen. Wir verbrachten die Tage mit Übungen. Die Scharfschützen gingen auf die Schießbahn, die Funker kontrollierten ihre Geräte und reparierten beschädigtes Material, die Sprengstoffspezialisten jagten irgendetwas hoch – kurzum: Jeder war mit etwas beschäftigt, was er gerne tat. Da wir wussten, dass wir uns ziemlich weit außerhalb der AOR bewegen würden, trainierten wir bestimmte Vorgehensweisen, etwa das sogenannte Ausweichschießen, besonders intensiv. Schließlich konnten wir im Falle einer Krise nicht mit schneller Hilfe durch die QRF oder Patrouillen rechnen.
Bereits am Vorabend der Operation machte sich die Anspannung bei allen bemerkbar. Der Start war für die Nacht geplant. Wollten wir uns doch bei Dämmerung dieser Ortschaft nähern. Wir kontrollierten ein letztes Mal unsere Ausrüstung und unsere Waffen, erhielten eine Einweisung in die Wegstrecke und gingen das Verhalten in Notsituationen durch. Dann brachen wir auf: Mayda, wir kommen! Wir kalkulierten mit einer Fahrtzeit von vier bis fünf Stunden. Sehr zügig durchquerten wir Kabul, und ich bemerkte, wie sich meine Laune verbesserte, je weiter wir uns vom Camp entfernten, insbesondere vom Chef der Aufklärungskompanie. Endlich war ich wieder mit meiner »Familie« unterwegs.
Bei Nacht erinnerte die Gegend außerhalb Kabuls an eine
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