Endstation Kabul
Schlenker, plante eine Fahrt Richtung Paghman mit uns. Da die KCT gute Aufklärungsergebnisse aus dieser Gegend geliefert hatten, wollte er sich nun einen persönlichen Eindruck von der Lage vor Ort verschaffen. Ich begrüßte das, denn bislang hatte ich den General als Ordnungsfanatiker mit zweifelhaften Prioritäten kennengelernt. Er wollte ein Kasernenleben wie in Deutschland – dabei waren wir in Afghanistan und führten einen der bislang heikelsten Auslandseinsätze in der Geschichte der Bundeswehr durch! Hier war alles andere als heile Welt, weshalb seine Igel-Taktik alles andere als angebracht war. Er war bislang dadurch aufgefallen, mehr und mehr Personal zur Kontrolle der Lagerordnung einzusetzen. Das hatte für ihn den Vorteil, dass drinnen Zucht und Ordnung herrschten und draußen die Gefahr von Zwischenfällen mit deutschen Teilen minimiert wurde. Wer nicht rausfährt, kann auch keine Fehler machen.
Bereits zuvor hatte ich den besten Beweis für meine Einschätzung des Generals erhalten. Als ich ein paar deutsche Kameraden besuchte, lief mir der Adjutant des Generals ziemlich aufgeregt über den Weg. Ich kannte den Mann aus Deutschland und fragte ihn, was denn los sei. »Weißt du, wo ich ein Bügeleisen und ein Bügelbrett herbekomme?«, wollte er von mir wissen. Wie bitte? Das konnte wohl nicht sein Ernst sein! Ich zog ihn mit mir ans Fenster: »Was siehst du hier, Kamerad?«, fragte ich ihn in aller Seelenruhe. Er brauchte nicht lange überlegen und sagte »nichts!«. Diese Übung hatte er schon mal bestanden. »Richtig, wir sind nämlich in Afghanistan!«, kommentierte ich seine Einsicht. »Wozu brauchst du denn ein Bügeleisen?«, wollte ich von ihm wissen. General Schlenker wünsche, dass seine Uniform gebügelt werde, war die Antwort. Er wolle bei Besprechungen adrett aussehen. Aha, dachte ich mir, die Sorgen möchte ich mal haben. Später fiel mir auf, dass die Uniform des Generals tatsächlich gebügelt aussah – wo auch immer der Adjutant das Bügeleisen besorgt haben mag.
Ich hatte ja auch schon meine eigenen Erfahrungen mit den seltsamen Prioritäten von General Schlenker gemacht. Ich war nämlich im Camp von unseren Feldjägern »geblitzt« worden. Im gesamten Bereich des Warehouse galt eine Höchstgeschwindigkeit von 15 Stundenkilometern, was wegen der vielen Soldaten, die dort unterwegs waren, und natürlich auch wegen der Staubentwicklung sinnvoll war. Als ich mich an diesem Tag in mein Fahrzeug setzte und offensichtlich einen Tick zu schnell anfuhr, war es passiert: Mit 18 Stundenkilometern wurde ich »aufgeschrieben«, was eine Meldung an meinen besten »Freund«, den Chef der Aufklärungskompanie, nach sich zog. Da ich beileibe nicht der Einzige war, dem so etwas mal passierte, gab es in aller Regel keine Konsequenzen. Trotzdem hatte ich ein komisches Gefühl, hier im Camp Radarkontrollen über mich ergehen lassen zu müssen. Typisch deutsch, dachte ich nur.
Mit all diesen Erfahrungen im Hinterkopf war ich natürlich gespannt, was für ein Bild der General bei unserem Ausflug nach Paghman abgeben würde. Besonders neugierig waren wir auf seine Reaktion, wenn wir den Rand der AOR erreichen würden. Am Vormittag des 1. Oktober fuhren wir vom KCT-Team 4.11 mit zwei niederländischen Fahrzeugen und natürlich unter besonderer Beachtung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit vor das Stabsgebäude, um General Schlenker abzuholen. Dort warteten bereits zwei Fahrzeuge der deutschen Feldjäger, in denen sich die Personenschützer des Generals befanden. Das waren gutausgebildete Leute, die aber durch ihren für solche Fahrten völlig ungeeigneten 08/15-Wolf der Bundeswehr echt gehandicapt waren. Ich kannte das Problem schon, deshalb hatte ich wenige Tage zuvor mit den drei Fernspähern die zwei deutschen Wolfs, die uns zur Verfügung standen, umgebaut.
Als Erstes planten wir das Fahrzeug ab, damit wir in einer Gefahrensituation schneller und leichter das Fahrzeug verlassen könnten. Aus dem gleichen Grund mussten die Frontscheiben dran glauben: Wir klappten die Scharniere nach vorne und befestigten die Scheiben in den dafür vorgesehenen Halterungen auf der Motorhaube. An den Seiten brachten wir Ablagen aus Unterlegblechen an – eine prima Methode, um unsere Rucksäcke, Wasser-Kanister und Verpflegung zu verstauen. Doch die Schrauberei an dem Wolf ging noch weiter: Einen der Rücksitze drehten wir um 180 Grad, sodass einer ständig nach hinten beobachten und sichern konnte und sich dabei
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