Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Endstation Kabul

Endstation Kabul

Titel: Endstation Kabul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Wohlgethan
Vom Netzwerk:
geflogen, so sauer waren wir auf ihn. Wir bekamen sehr willkommenen Besuch: Unsere niederländischen Kameraden stiegen zu uns aufs Dach, vollbeladen mit Essen und Softdrinks. Mir knurrte augenblicklich der Magen bei diesem Anblick. Ich hatte gar nicht gemerkt, wie hungrig ich war. Dabei wurde unter uns gegrillt, der Duft von gebratenem Fleisch hing die ganze Zeit in der Luft. Abwechselnd aßen wir mit unseren Kameraden der Kommandos und hatten so wenigstens ein bisschen Spaß auf diesem Dach. Sonst kümmerte sich nicht eine Menschenseele um uns oder fragte sich, wie wir dort oben zurechtkämen. Aber unsere »Familie« kümmerte sich um uns. Wir merkten mal wieder, dass auf unsere niederländischen Kameraden Verlass war.
    Nach dieser Aktion war mir sonnenklar, dass ich bei diesem Chef nie und nimmer meine Verlängerung durchkriegen würde. Und so begann ich zu überlegen, wie ich das irgendwie anders hinbekommen könnte. Kurz nach zehn verließen wir unseren glorreichen Beobachtungspunkt. Eine Dusche hatten wir alle bitter nötig. Dann noch ein Dienstabschluss-Bier in der »Snedder-Lounge«, und so nahm der Abend für uns vier doch noch ein versöhnliches Ende.
     
    In den kommenden Nächten bezogen meine Kameraden von den KCT und ich immer wieder unsere nächtlichen Beobachtungspunkte im Gebirge und sahen diese kleinen Trecks aus den Bergen kommen. Wir dokumentierten jede dieser Bewegungen und meldeten sie am nächsten Tag an unsere OPZ. Wir erwarteten quasi täglich den Befehl zur Durchsuchung dieser Karawanen – aber der blieb, zu unserem Leidwesen, aus. Langsam wurde die Sache wirklich langweilig. Der einzige Trost war (mal wieder) Radio Andernach. Je nachdem welcher Soldat sich als DJ versuchen durfte, lief mal eine Stunde Hardrock oder Techno – was ja ganz nett war. Aber wenn der moderierende Kamerad uns direkt ansprach, sein »toi, toi, toi für die Kameraden auf schwieriger Mission – und passt auf euch auf!« durchgab und die CD mit unserer Wunschmusik einlegte, die wir zuvor beim Sender abgegeben hatten, waren wir selig. Und so lagen wir mit unseren Headsets in den Bergen und lauschten Radio Andernach. Als der DJ mein Lieblingslied »Runaway« der irischen Band The Corrs spielte, musste ich fast aufpassen, nicht mitzusummen.
    Nach unserer zweiten oder dritten Nacht in den Bergen erreichten wir um vier Uhr früh das Camp. Ich wollte nur noch aus meiner Uniform raus und duschen. Also ging ich zu den nagelneuen Waschcontainern und wollte die Tür öffnen – aber nichts passierte. Abgeschlossen? Was soll das denn?, dachte ich. Mit Badelatschen, kurzer Hose und T-Shirt machte ich mich auf, den Verantwortlichen mit dem Schlüssel zu suchen. Ich steuerte auf den Bereich der Feldlagerbetriebskompanie zu, wo der Unteroffizier vom Dienst (UvD) saß und den Bereich überwachte und das Telefon hütete. Als ich halbnackt vor ihm stand, schaute er scheel von seinem Laptop auf.
    Ich schilderte ihm mein Problem und fragte nach dem Schlüssel. »Den kann ich nicht rausgeben. Ein paar der Offiziere, die neben den Duschen untergebracht sind, haben sich beschwert. Sie fühlen sich gestört, wenn mitten in der Nacht die Tür auf- und zuklappt.« Wie bitte? Denen geht’s wohl zu gut, dachte ich und konnte nur mühsam meine Entgeisterung verbergen. »Okay, okay«, sagte ich, »ich bin auch ganz leise.« Doch der UvD schüttelte den Kopf. Mir war schon klar, dass er nichts dafür konnte, er musste einfach seinen Auftrag durchsetzen. Aber ich wollte, nein, ich musste duschen. »Ich bin echt nicht in der Stimmung, endlos zu diskutieren«, teilte ich ihm mit. »Und wenn du mir jetzt nicht den Schlüssel gibst, breche ich halt das Schloss auf.« Mir war wirklich alles egal in diesem Moment, ich dachte an nichts anderes als ans Duschen. Er schaute forschend in mein Gesicht und entdeckte wohl etwas, was ihm nicht gefiel. Denn er händigte mir den Schlüssel aus – allerdings mit der Ergänzung, dass er den Vorfall melden müsse. »Versteh ich«, meinte ich, »du machst ja auch nur deinen Job«, und nannte ihm meinen Namen, Dienstgrad und Kompanie. Wasser auf die Mühlen meines Chefs, dachte ich nur, als ich mich zu den Duschcontainern aufmachte. Niemand beschwerte sich, da ich wie versprochen die Tür leise öffnete und schloss. Das interessierte meinen Chef natürlich nicht im Geringsten.
    Am nächsten Morgen, oh Wunder, sollte ich mich bei der Aufklärungskompanie melden. So trat ich mal wieder diesen Gang an, um mir meine

Weitere Kostenlose Bücher