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Endstation Kabul

Endstation Kabul

Titel: Endstation Kabul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Wohlgethan
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Folgetagen zur Dokumentation bei den verschiedensten Patrouillen mitfahren. Auf dem Rückweg wuchs die Anspannung, als wir die Stelle passierten, wo wir auf dem Hinweg beschossen worden waren. Diesmal blieb alles ruhig, und auch der Radfahrer war wohl abgeholt worden. Nur ein etwas dunkler Fleck auf der Straße erinnerte daran, dass hier vor kurzem ein angeschossener Zivilist gelegen hatte.
    Am nächsten Tag setzte mich der letzte »Nackenschlag« schachmatt: Der DECOM Land kam zu mir und teilte mir mit, dass an meinem Abflugtermin definitiv nicht zu rütteln sei. Ich solle mich auf meine Abreise am 13. Oktober einstellen. Er klopfte mir aufmunternd auf die Schulter und sagte: »Jetzt bist du schon so lange hier, hast eine Menge gesehen und getan. Irgendwann muss auch mal Schluss sein.« Ich nickte matt.
    Bei den Kommandos stand die Operation »Vektor« vor der Tür, die sich über mehrere Wochen hinziehen sollte. In und um Kabul sollten OPs eingerichtet und betrieben werden, um bei Tag und Nacht mal wieder die Schmuggler zu überwachen. Das klang für meinen Geschmack ein bisschen nach Beschäftigungstherapie, nach den Erfahrungen mit der letzten Operation dieser Art. Andrik fragte mich frank und frei, ob ich überhaupt noch an dieser Aktion teilnehmen wolle. »Ein oder zwei Touren würde ich noch mitmachen. Aber dann muss ich mich langsam um den Papierkram und die Abgabe meiner Ausrüstung kümmern.« So konkret hatten wir noch nie über meine bevorstehende Abreise gesprochen. Prompt sank die Stimmung wieder um ein paar Grade ab. »Du bist herzlich willkommen und gern gesehen, wann immer du mitfahren möchtest«, bekam ich zu hören. Ich schluckte bei diesen gutgemeinten Worten und nickte.
    Zwischen den Zeilen hatte mir Andrik zu verstehen gegeben, dass er mich nicht mehr mit einplante. Das traf mich hart. Härter, als ich erwartet hatte.
    Zu allem Unglück lief mir auch noch der Major vom Stadion über den Weg, als ich mein Material bei der Aufklärungskompanie abgab. Er lächelte mich sogar an. In mir stiegen wieder Wut und Enttäuschung über seine unangemessene Reaktion am Stadion hoch. In meinen Augen hatten solche Leute den Rang Offizier nicht verdient. Aber was soll’s, dachte ich mir. Es gibt in jedem Beruf genug Vorgesetzte, bei denen man nicht nachvollziehen kann, wie sie zu ihrem Posten gekommen sind. Kann sein, dass sie fachliche Koryphäen waren. Aber in meinen Augen war das nicht das entscheidende Kriterium, das einen guten Chef ausmachte. Ich war froh, auch andere Führungskräfte erlebt zu haben, die sich wohltuend von dem blasierten Major und dem Chef der Aufklärungskompanie abhoben. Die wirklich guten Vorgesetzten teilten alle Entbehrungen und Härten mit ihren Soldaten und standen fest hinter ihnen. Wenn mal einer aus der Riege einen Fehler machte, traten sie ihm zwar in den Hintern, aber damit war die Sache dann auch abgehakt und sie machten ohne ständige Vorhaltungen weiter. Der Major und Hauptmann Fiebig kamen mir wie kleine quengelige Kinder vor: Bekamen sie nicht ihren Willen, fingen sie sofort zu plärren an. Bei diesem Gedanken musste ich schmunzeln und winkte dem Major lächelnd zu. Als er daraufhin abrupt abdrehte, musste ich noch mehr grinsen und fühlte mich in meinen Überlegungen bestätigt.
    Drei Tage vor meinem Abflug rief ich in meinem Heimatbataillon an und kündigte mich an. Mir wurde mitgeteilt, dass in einer Woche ein Spezialzug-Lehrgang anstand und man mich dafür eingeplant habe. Mein erster Impuls war, daran teilzunehmen. Bloß nicht von dieser permanenten Anspannung in ein Loch fallen und nichts zu tun haben. Doch dann entschied ich mich dagegen. Ich konnte schließlich nicht wissen, in was für einer Verfassung ich in Deutschland ankommen würde. Meine letzten Tage verbrachte ich mit dem Absteuern von Material und dem Ausfüllen meines Laufzettels. Auf dieser Liste waren alle Abteilungen vermerkt, die ich anlaufen musste. Und das waren eine ganze Menge – wir waren schließlich bei der Bundeswehr. Nachdem ich bei den Verantwortlichen eine Unterschrift geleistet oder Material abgegeben hatte, wurde mir die Entlastung per Autogramm bestätigt. Ganz zum Schluss musste man diesen von x Leuten unterschriebenen Zettel in der Personalabteilung abgeben.
    Als ich am 11. Oktober alle Waffen und Munition abgeben musste, war für mich der Ofen aus. Ich kam mir unsagbar doof und nackt bei dem Gedanken vor, noch volle zwei Tage ohne Waffen herumzulaufen. Rein rational war mir klar,

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