Endstation Kabul
Standpauke abzuholen. Meine gestrige Duschaktion war allerdings nicht das Thema. Ich bekam die offizielle Absage auf meinen Verlängerungsantrag in die Hand gedrückt. Mein Vorgesetzter hatte sich nicht durchringen können, meinen Einsatz um gerade mal drei Wochen zu verlängern. Ich würde also das Land zum 13. Oktober nach exakt sechs Monaten verlassen. Gerechnet hatte ich zwar schon damit, aber wie sagt man so schön: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Als ich die Ablehnung nun schwarz auf weiß sah, wurde ich doch etwas blass und ärgerte mich. Begründet wurde die Absage wie folgt: »Die erneute Verlängerung Ihrer Einsatzdauer wird von Ihrem Disziplinarvorgesetzten nicht befürwortet.« Handschriftlich dazugekritzelt stand noch: »Ü2 nicht vorhanden«. Das war natürlich der Hammer. Mittlerweile hatte ich an den verschiedensten Operationen teilgenommen und in diesem Rahmen auch als geheim eingestufte Informationenen erhalten. Sollte das alles ein großer Fehler gewesen sein? Im Endeffekt hielt ich die schriftliche Bestätigung in der Hand, dass ich nicht berechtigt gewesen war, diese Informationen zu erhalten. Nach dieser Definition hatten also einige meiner früheren Vorgesetzten eine Dienstpflichtverletzung begangen, indem sie mir Informationen zukommen ließen, für die ich wegen meiner fehlenden Ü2 keine gültige Berechtigung besaß. Das saß!
Ich fragte mich, wie es nun mit mir weitergehen sollte. Wenn man dieses Schriftstück ernst nahm, hätte ich ja auf keinen Fall weiter mit den niederländischen Kommandos arbeiten dürfen, da sie ja immer wieder Informationen erhielten, die als geheim eingestuft waren. Doch ich sollte mich wundern. Es passierte nämlich nichts. Rein gar nichts! Bis zu meinem Rückflug nach Deutschland verrichtete ich weiter meine Einsätze mit den KCT und hatte Einblicke in Dinge, die ich nicht haben durfte.
Auf dem Flur lief ich einem Offizier über den Weg. Es war der Verteidigungskommandeur, der sogenannte »DECOM Land«, der die Truppe im Gefecht führt. Er hielt mich an und fragte, wer ich sei. »Ach«, sagte er, »der Duschcontainer!« Nach einer kurzen Standpauke nahm er mich beiseite und fragte mich, was mich denn dabei geritten habe. Ich erzählte ihm von dem anstrengenden Einsatz und der absoluten Notwendigkeit, danach wenigstens duschen zu können. Er schmunzelte und meinte: »Sie sind also der deutsch-niederländische Kommandosoldat. Sehr interessant. Lassen Sie uns mal einen Kaffee trinken gehen.« Im Laufe des Gesprächs ging es natürlich auch um meinen abgelehnten Antrag auf Verlängerung. Er hörte sich die Geschichte an, bei der ich mich besonders über die Absurdität meiner nicht vorhandenen Ü2 als Ablehnungsgrund bei gleichzeitiger Weiterbeschäftigung bei den KCT ausließ. Der Offizier meinte dazu, über die Ablehnung sowie meinen weiteren Dienst könne allein mein Disziplinarvorgesetzter entscheiden. Auch wenn es paradox ist?, dachte ich mir im Stillen. Der Offizier machte mir nicht viel Hoffnung, versprach mir aber, ein gutes Wort für mich einzulegen.
Mit hängenden Schultern ging ich in die »Snedder-Lounge« und reichte wortlos die offizielle Ablehnung an meinen Teamführer weiter. Andrik las den Wisch kurz durch und verschwand damit. Dann kam er wieder und teilte mir mit, dass er den Chef der KCT informiert habe. Hemskerk wolle sich sofort hinsetzen und ein Schreiben aufsetzen, in dem er um meine Verlängerung bis zum 3. November bitten wolle. Sie hätten sehr gute Erfahrungen mit mir gemacht und könnten wegen laufender Operationen nicht auf mich verzichten. Ich atmete auf, alleine wegen dieser Geste. Meine deutschen Vorgesetzten traten mir in den Hintern – und die Niederländer hoben mich wieder auf und halfen mir, den Staub von den Hosen zu klopfen. Mir wurde mal wieder bewusst, was ich an meiner »Familie« hatte. Auch wenn das Engagement des KCT-Chefs keine Wende brachte.
Jetzt sah ich nur noch eine Möglichkeit, das Ruder herumzureißen. Ich fragte den Verbindungsoffizier zur deutschen Botschaft, ob er mir ein Treffen mit einem Mitarbeiter des BND vermitteln könne. Wenn ich diesem schilderte, dass und wie wir vermutlich Gulbuddin Hekmatyar aufgeklärt hatten, bekämen wir vielleicht den Auftrag, die Sache weiter zu verfolgen, wobei die Niederländer nicht auf mich verzichten könnten. Nachdem ich mit dem Hauptmann Rücksprache gehalten hatte, versprach er mir, einen Kontakt herzustellen. Was auch geschah. Wir fuhren gemeinsam zur deutschen
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