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Endstation Mosel

Endstation Mosel

Titel: Endstation Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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die Puppe dabei hatte. Von einer Radtour hielten ihn seine von der Wanderung schmerzenden Waden ab. Schon seit ein paar Wochen wollte er neue Klamotten kaufen. Er hätte gerne Doris dabei gehabt. Wenn er überhaupt etwas in seiner Größe fand, konnte es passieren, dass die allein erstandenen Sachen im Schrank hängen blieben. Das mit dem Frühstück war blöd gelaufen. Er überlegte, sie anzurufen.
    Er spürte die Leere kommen. Dieses Gefühl, gegen das Doris jeden Tag anrannte. Wenn sie genug Kilometer abgespult hatte, ging es ihr besser. Sie brauchte das, als Ersatz für die Arbeit, die ihr fehlte.
    Ihm ging es im Grunde nicht besser. Er brauchte die Arbeit, um sich zu spüren.
    Früher hatte sich bei seinem Vater alles um Überstunden, Bilanzsteigerung, Kundentreue, Gewinnprognosen, Mitarbeitermotivation und ähnliches gedreht. Der Apfel fällt nicht weit vom Pferd. Das musste er bei aller Antipathie und bei allen guten Vorsätzen, es einmal anders zu machen, gestehen.
    Er setzte den Walkman auf. Miles Davis’ letzte und für ihn schönste CD Live Around The World versöhnte ihn für den Moment mit sich und der Welt …
     
    Als er in die Wohnung zurückkam, klingelte das Telefon. Walde las Doris’ Namen auf dem Display: »Hallo!«
    »Hab’ ich dich geweckt?«, fragte Doris.
    »Warum?«
    »Weil du verschlafen klingst.«
    »Nein.«
    »Also warst du nur geistig weggetreten.«
    Walde sagte nichts.
    »Bist du noch sauer wegen heute Morgen?«, unterbrach Doris das Schweigen.
    »Nein, ich dachte nur …«
    »Dass ich verfügbar bin, so wie am Abend zuvor. Du rufst drei Tage nicht an und platzt dann einfach so herein. Dann machst du Frühstück und bist beleidigt, wenn ich etwas anderes vorhabe.«
    Walde schwieg weiter.
    »Bist du noch da?«, Doris wurde unsicher.
    »Hmmh«, kam es zurück.
    »Wenn du einen Fall hast, muss alles hinten anstehen, da käme ich gar nicht auf die Idee, von dir zu verlangen, mit mir zusammen zu sein. Das ist ja auch in Ordnung, aber das muss auch umgekehrt gelten.«
    »Ich werde es auf mich wirken lassen«, Walde nahm die CD aus dem Gerät.
    »Du lässt mich mit deinem Schweigen auflaufen. Eine einfache Entschuldigung würde genügen …«
    »Okay, sorry.«
    Beide schwiegen.
    »Dann bis demnächst«, sagte Doris.
    »Doris …«, Walde hörte, dass sie aufgelegt hatte.
    »Mist«, er pfefferte den Hörer auf die Couch.
    *
    Johan hatte sich, nachdem er zurück in das Zimmer der Pension gebracht worden war, gleich aufs Bett gelegt. Sein Kopf war leer. Er wusste nur, dass nichts mehr so war oder werden würde wie früher.
    Die Tür wurde geöffnet, Piet kam herein. Er hatte seine Schuhe in der Hand und ließ sie lautstark neben sein Bett fallen.
    »Alles Kacke!«, fluchte er und fingerte sich eine Zigarette aus einem zerknautschten Päckchen. »Bist du noch gar nicht aufgestanden?«
    »Wo warst du?«, Johan setzte sich auf.
    »Einer muss ja etwas unternehmen. Ich hab’ versucht, die Leute zu erreichen, aber es ist dauernd eine Mailbox angeschaltet.«
    »Welche Leute?«
    »Du weißt schon, die in Detzem die Kaffer abholen sollten«, Piet deutete zum Boden und brach die Handbewegung ab, als ihm ihre Sinnlosigkeit klar wurde.
    Johan schüttelte den Kopf und rieb sich den Verband in Höhe der Schläfen: »Mein Kopf fühlt sich an, als wäre nur Nebel drin.«
    »Der ist wohl schon länger in deinem Oberstübchen, jetzt erklär’ mir mal, wie das passiert ist, mit dem Pfeiler«, Piet setzte sich zu Johan aufs Bett und blies ihm beim Ausatmen Rauch ins Gesicht. »Wir sind gegen einen Pfeiler gestoßen.«
    Johan hatte immer noch die Hände an den Schläfen. Neben dem Zigarettenrauch roch er die gewaltige Weinfahne seines Bootsmanns.
    »Jetzt komm, du musst doch wissen, was letzte Nacht passiert ist!«, Piet stand auf und ging zur Minibar. Er nahm einen Piccolo Sekt heraus, drehte den Verschluss auf und setzte die Flasche an den Mund.
    »Johan, du musst wieder zu dir kommen, wir können das hier nicht aussitzen. Die da unten sind abgesoffen, die müssen da raus. Sonst sind wir dran!«
    Johan schüttelte den Kopf: »Was machen wir hier?«
    Piet ging zu Johans Bett und bückte sich, bis sein Gesicht ganz nah vor dem seines Chefs war: »Machst du auf unzurechnungsfähig? Damit kommst du nicht durch, das kann ich dir sagen. Wenn ich in den Knast komm’, dann landest du in der Klapsmühle!«
    *
    Uli stand rauchend vor der Tür der Gerüchteküche. Vom Turm der Gangolfskirche klang die Lumpenglocke. Im

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