Endstation Mosel
der Suche nach Römerfunden? Klar, bei Nacht ist die beste Zeit, um auf frisch gesunkenen holländischen Frachtern in der Mosel nach der Antike zu forschen.«
»War nur so ein Gedanke, dir fällt bestimmt noch was Besseres ein.«
Jo überlegte: »Warum rufst du nicht bei der Polizei an?«
»Das kann ich nicht, ich hab’ dem Informanten Diskretion zugesagt.«
*
»Du kannst einfach nicht Nein sagen!«, schimpfte Walde hinter dem Lenkrad auf der Fahrt an der dunklen Mosel zwischen Schweich und Longuich entlang.
»Und was ist mit dir?«, entgegnete Jo und biss ein großes Stück seines dick belegten Baguette ab, einem von Uli spendierten Fünfspalter, der vor ein paar Augenblicken noch fast bis zur Frontscheibe gereichte hatte.
»Ich kann einen Freund doch nicht hängen lassen.«
»Ach so.«
Hinter ihnen auf dem Rücksitz lag Jos Neoprenanzug. Im Kofferraum befanden sich weitere Tauchutensilien. Sie fuhren ein paar Minuten schweigend über leere, dunkle Straßen. Außer dem Motorengeräusch war nur ab und an ein Krachen zu hören, wenn Jo einen weiteren zehn Zentimeter langen Happen in den Mund schob.
»Ich dachte, man sollte nicht direkt nach dem Essen schwimmen?«
»Ich gehe nicht schwimmen, sondern tauchen, außerdem brauche ich bei der zu erwartenden Kälte und Anstrengung ein paar zusätzliche Kalorien.«
»Wie viel Grad hat die Mosel?«
»Ungefähr acht bis zehn Grad«, antwortete Jo mit vollem Mund.
Instinktiv drehte Walde die Heizung höher.
Der Volvo lief wieder störungsfrei. Uli hatte Starthilfe geleistet und Saft auf die leere Batterie gegeben. Die Scheinwerfer streiften einen Weinberg mit in Reih und Glied ausgerichteten kahlen Stöcken. Der Wagen verließ die Bundesstraße und fuhr nun über eine schmale, direkt am Wasser vorbeiführende Piste, einen Radweg, der während der Brückenbauphase als Umleitung für Anlieger und Zufahrtsweg für Baufahrzeuge umfunktioniert worden war. Aus dem Dunkel tauchte die hell angestrahlte Brückenbaustelle auf.
»Mach’ langsam«, bat Jo. Er versuchte abzuschätzen, wie weit es von der Stelle, wo die Aufbauten des Wracks der Populis aus dem Wasser ragten, bis zum Ufer war. Vom Boot des Wasser- und Schifffahrtsamtes beleuchteten zwei Scheinwerfer das von einer schwimmenden Ölsperre umgebene Wrack. Von der anderen Seite des Flusses warfen die Straßenlaternen von Mehring einen schwachen Schein auf das schnell fließende schwarze Wasser.
Walde fuhr langsam weiter. Der Radweg folgte der Biegung der Mosel. Walde schaltete die Scheinwerfer aus, bevor er den Volvo wendete und auf dem schmalen Hang zwischen Weg und Mosel parkte.
»Nach dem Tacho sind es etwa vierhundert Meter bis zum Schiff«, Walde sprach in gedämpftem Ton. Er löschte die Innenleuchten des Wagens.
»Bei der Strömung ist das viel Holz.« Jo zog den Pullover über den Kopf.
»Wie lange wirst du brauchen?«
»Etwa fünfundzwanzig Minuten bis zum Wrack, das Weitere ist schwer abzuschätzen. Zurück geht’s auf jeden Fall schneller. Die Luft reicht für eine Stunde, aber bis dahin bin ich bereits erfroren.«
Sich mit dem Rücken am Wagen abstützend pellte sich Jo aus der Hose und griff nach dem Taucheranzug, der aus einer Art Latzhose und einer Jacke mit Kapuze bestand.
Walde assistierte seinem Freund und leuchtete mit einer kleinen Taschenlampe in den Kofferraum des Wagens, wenn er ein weiteres Utensil der Ausrüstung anreichen sollte. Jo band sich den Schaft mit dem Tauchermesser und einem Schnorchel an den Unterschenkel. Walde half ihm in das Jacket mit der Pressluftflasche. Jo hängte sich das Band mit dem Kompass um den Hals, zog die Brille über und bat Walde: »Nimm bitte die Thermoskanne aus dem Rucksack!«
Walde fand sie mit Hilfe der Taschenlampe.
»So, jetzt hier rein damit«, Jo zog mit Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand den Taucheranzug vom Hals.
»Wie bitte?«
»Ja, schütt’ rein, das ist mir lieber als das kalte Moselwasser.«
Ein Teil des warmen Wassers floss außen über den Anzug.
»So, jetzt dreh das Ventil an der Flasche auf.«
Jo kontrollierte das Mundstück des Lungenautomaten.
Zum Schluss klinkte er eine große Taschenlampe und eine kleine Notlampe an die Ösen des Jackets, zog die Handschuhe und die Brille über und watschelte zum Wasser.
Walde prustete los. Wenn jetzt ein versprengter schottischer Tourist hier vorbeigeradelt käme, er hätte Stein und Bein geschworen, dass das Ungeheuer von Loch Ness in die Mosel übergesiedelt sei.
*
Jo
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