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Endstation Mosel

Endstation Mosel

Titel: Endstation Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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da.« Hoffmanns Grinsen war noch breiter geworden.
    »Grabbe«, korrigierte Walde. »Wir waren für acht Uhr hier verabredet, hat er gesagt, warum er weg musste?«
    »Nein«, Hoffmanns Grinsen drohte inzwischen seine Mundwinkel zu überdehnen. »Er ist sehr höflich und spricht nicht, wenn er den Mund voll hat.«
    »Hatte er das?«
    Hoffmann prustete los: »Die Medusa hat ihn erschreckt.«
    Walde nickte.
    »Wir nennen sie intern so, die Frau mit den Aalen«, Hoffmann war wieder ernst geworden. »Sie wissen schon.«
    Sie waren in den Untersuchungsraum gelangt, wo eine weibliche Person mit geöffnetem Brustkorb auf dem Untersuchungstisch lag. Das wallende Haar war getrocknet und umkränzte wie ein Strahlenkranz ihren Kopf. Walde kämpfte mit dem unangenehmen Karbolgeruch, der den gesamten Sauerstoff verdrängt zu haben schien.
    Ein Mann in einer weißen Kunststoffschürze spritzte mit dem Schlauch die Rinne aus, in der um die Leiche herum eine zähe Brühe hing.
    »Spielt ja bei uns eigentlich überhaupt keine Rolle, aber die Frau sah vor ein paar Tagen noch verdammt gut aus«, kommentierte der Pathologe. »Bevor sie …«
    »Ertrunken ist«, ergänzte Walde.
    »Nein, ertrunken ist sie mit Sicherheit nicht.«
    »Wie bitte?«
    »Die anderen vier sind ertrunken, bei unserer Medusa«, er tätschelte den aufgedunsenen Oberarm der Toten, »vermute ich entweder eine Entzündung des Herzmuskels oder eine allergische Reaktion auf Penicillin als Todesursache. Ihren vernarbten Mandeln nach zu schließen, muss sie oft an Mandelentzündungen gelitten haben. Das ist ihr wohl aufs Herz geschlagen. Genaueres kann ich Ihnen erst sagen, wenn die Laborergebnisse vorliegen.«
    Eine der beiden Schwingtüren öffnete sich langsam. Grabbe lugte vorsichtig herein: »Sorry, Chef, ich bin nicht zu spät«, Grabbe blieb zwischen den Türen stehen. »Ich war schon …«, er stockte, »aber dann musste ich …«
    »Ist gut, warte draußen auf mich.«
    Die Flügeltüren schlugen zu.
    Der Mann hielt den Strahl des Schlauches nun auf die Bodenfliesen. Walde trat ein paar Schritte zurück.
    »Sie sagten, nicht ertrunken«, nahm er den Faden wieder auf.
    »Der Todeszeitpunkt der anderen deckt sich in etwa mit dem der Havarie des Schiffes. Aber sie hier war da schon zwischen zwölf und vierzehn Stunden tot.«
    »Stirbt man denn so ohne weiteres an einer Herzmuskelentzündung? Die Frau war doch noch ziemlich jung«, wollte Walde wissen.
    »Etwa Anfang zwanzig, sicher ein ungewöhnlicher Tod für eine so junge Frau und darüber hinaus für eine, ich vermute mal Afrikanerin. Nach den Einstichen zu schließen, die ich gefunden habe, muss sie höchstens 48 Stunden vor ihrem Tod untersucht worden sein. Übrigens haben alle fünf die gleichen Einstiche. Sie scheinen einem Gesundheitscheck unterzogen worden zu sein. Ansonsten habe ich keine Auffälligkeiten bei ihr gefunden, sieht man einmal von den Verletzungen ab, die ihr die Aale zugefügt haben. Da vermute ich mal, dass die Tiere sich auf die Medusa gestürzt haben, weil sie schon länger tot war. Vielleicht hat auch das noch in Resten vorhandene Penicillin als Lockstoff gedient, aber ich kenne mich besser mit Würmern und Maden aus, Aale sind nicht ganz mein Gebiet.«
    »Gibt es Spuren von Fremdeinwirkung?«, fragte Walde, der versuchte das Thema zu wechseln. Gespräche über verschiedene Stadien von Maden im Bezug auf die Feststellung von Todeszeitpunkten gehörten zu den Lieblingsthemen des Spezialisten.
    »Bei ihr nicht, aber bei zweien der Männer deuten ein paar Monate alte Narben an Gesäß und Rücken auf Folter hin.« Hoffmann zog eine der langen Schubladen an der Wand auf und schlug ein Tuch zur Seite. Darunter erschien der schmale Körper eines farbigen Mannes. »Helfen Sie mir mal«, Hoffmann deutete auf den Hüftknochen, den Walde fassen sollte.
    Gemeinsam drehten sie die Leiche zur Seite. Walde sah die dunklen Verfärbungen an Gesäß und Rücken, die teilweise wie in Lehm eingegrabene Wagenspuren aussahen.
    »Gott, oh Gott«, entfuhr es Walde.
    »Der hat dem armen Teufel auch nicht helfen können. Es müssen einfach bessere Einwanderungs- und Asylgesetze her. Wem es einigermaßen gut in Afrika geht, der will da gar nicht weg. Was sollte er auch in unserem kalten Klima, das meine ich nicht nur meteorologisch.«
    »Wir haben Gegenstände aus Ghana, Togo und Frankreich bei den Toten gefunden.«
    »Ghana ist weniger problematisch, ich würde eher auf Togo tippen. Das passt auch zu den

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