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Endstation Mosel

Endstation Mosel

Titel: Endstation Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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Nachtmensch.«
    Stadler war immer noch unsicher: »Ich dachte schon, es wäre wieder …«
    »Das ist die Pubertät.«
    »Pubertät? Von der Stimme her hörte sich der Beng …«, Stadler korrigierte, »Ihr Sohn älter an.«
    »Vierzehn Jahre.«
    »Wenigstens ist er dann strafmündig«, murmelte Stadler und strich zart mit Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand über das leidlich zusammengeklebte Bootsmodell, das neben dem Telefon stand.
    »Was sagten Sie?«
    »Nichts.«
    Es trat eine Pause ein.
    Stadler hörte ein Gedudel, das ihm bekannt vorkam. Er überlegte.
    »Herr Stadler?«, fragte der Bass.
    »Ja!« Stadler war ganz nah dran und hatte jetzt wieder den Faden verloren. Im Hintergrund war Musik zu hören. Die Melodie konnte er nicht erkennen. Es war eine schnelle Abfolge von Tönen …
    Der Groschen fiel: ein Gameboy! Das war doch nicht der Alte!
    »Spreche ich mit Herrn Dr. Joachim Ganz?«
    »Eine Sekunde«, am anderen Ende knallte der Hörer lärmend auf. Stadler zuckte zusammen.
    »Jaaah, Ganz.«
    Stadler unterbrach seine heftig rudernde Armbewegung. Zu spät. Das Schiffsmodell hatte sich schon in Bewegung gesetzt. Es war auf einem weiteren Stapellauf über die lange Schreibtischplatte.
    Stadler sprang auf. Er beugte sich über den Tisch, streckte den Arm. Seine Fingerspitzen berührten noch den Bug, bekamen ihn aber nicht zu fassen. Das Schiff erreichte die Schreibtischkante. Es hatte nur noch wenig Fahrt.
    »Mist, Mist, Mist!«, rief Stadler.
    Seine leere Hand baumelte über dem Abgrund. Ihm blieb nichts anderes übrig, als auf den Aufprall zu warten.
    Diesmal klang es anders. Nicht so zerstörerisch. Ein Knall ohne Krachen. So, als ob das Schiff mit dem kompletten Rumpf aufgesetzt hätte. Doch eine Sekunde später war die Illusion zerstört. Ein zersplitterndes Getöse begleitete das zum zweiten Mal auf den Fußboden krachende, gerade erst liebevoll rekonstruierte Modell WSP 16. Es hatte nach dem ersten Aufprall abgehoben und war dann auf der hochsensiblen Deckseite mit all den ebenso winzigen wie detailgenauen Aufbauten gelandet.
    Stadler jaulte auf. Das Wehklagen kam tief aus seinem Inneren, er konnte es nicht unterdrücken.
    »Haben Sie sich etwas getan?«, fragte der Bass in einer Gemütsruhe, die Schuld daran war, dass auch Stadlers Telefonhörer einem harten Belastungstest unterzogen wurde.
    *
    Der Himmel mit dem aufgehenden Dreiviertelmond versprach eine klare Nacht. Harry hatte das Blaulicht eingeschaltet und raste mit Vollgas über die Eifelautobahn in Richtung Koblenz. Neben ihm hielt Stadler seine Uniformmütze in den Händen und versuchte das Gespräch auf der Rückbank zu verfolgen.
    »Ich habe eine neue Presseerklärung für morgen vierzehn Uhr angekündigt«, Monika hatte hinten die Leselampe eingeschaltet. »Die internationalen Medien interessieren sich für diesen Fall. Wenigstens scheiden ausländerfeindliche Motive aus. Wir haben die direkt Beteiligten in Gewahrsam genommen.«
    Walde nickte. Er verlagerte die Beine so, dass die Knie zwischen die beiden Lehnen der vorderen Sitze ragten. Den Kopf lehnte er an die Kopfstütze. Monikas Monolog und das Motorengeräusch mischten sich zu einem angenehmen gleichmäßigen Geräuschpegel, in dem er versucht war, ein wenig die Augen zu schließen. Bei Tisch hatte er ein Glas Rotwein getrunken, vorher beim Kochen waren es zwei kleine Gläschen gewesen. Der Kaffee war leider zu schwach geraten …
    Der Wagen verließ an der Abfahrt Cochem die Autobahn. Die wenigen Autos auf der Landstraße machten brav Platz, wenn er von hinten angerauscht kam.
    Walde wurde wach, weil es plötzlich ganz still um ihn geworden war. Vergeblich versuchte er, das Zifferblatt seiner Armbanduhr zu erkennen. Aus dem Seitenfenster sah er einen dunklen Berghang sich schwach gegen den Himmel abheben.
    »Wo«, Walde musste sich räuspern. »Wo sind wir?«
    »Bei Moselkern«, flüsterte Monika. »Da unten liegt die Speed III.«
    Walde setzte sich auf und schaute durch die Frontscheibe. Etwas unterhalb hoben sich mehrere helle Yachten gegen die dunkle Mosel ab. Sie dümpelten um einen Anleger, der sich wie ein großes,L’ schützend um die Boote legte und sie vor der Strömung abschirmte.
    Stadler stieg aus und lehnte sich neben dem Wagen an einen Weinbergspfahl. Er zündete sich eine Zigarette an. Harry war nirgends zu sehen.
    »Was ist los?« Walde zog langsam seine Knie an und massierte sich die schmerzenden Halswirbel.
    »Sie hat Besuch. Eben ist ein Wagen vorgefahren und

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