Endstation Mosel
Zusammenarbeit.«
»Ich bin fünfundsiebzig Jahre alt. Viel Zeit bleibt mir gewiss nicht mehr. Die möchte ich nicht im Gefängnis verbringen«, Madame Goedert hatte ihr Glas genommen und trank in hastigen kleinen Schlucken.
Eberhard Sieblich beobachtete die Auf- und Abbewegungen ihres Halses. Wie sie den Kopf bei jedem Schluck nach hinten warf, erinnerte ihn das an ein Huhn beim Trinken.
»An so etwas wollen wir gar nicht denken, Madame.«
»Ich habe sonst keinen anderen Gedanken.«
Jetzt musste er aufpassen, Madame konnte leicht zickig werden. »Wir durchschreiten derzeit ein Tal. Denken Sie an unser großes Ziel: das Transplantationszentrum in Luxemburg. Das wollen wir trotz aller momentanen Schwierigkeiten nicht aus den Augen verlieren.«
»Das ist in so weite Ferne gerückt, dafür reicht meine Sehkraft nicht mehr aus«, antwortete sie.
»Außerdem haben Sie bereits eine Viertel Million Vorschuss kassiert«, startete er einen neuen Versuch.
»Was heißt, Vorschuss kassiert?«, Madame Goederts Tonfall wurde schneidend. Er spürte, dass er sich nun auf ganz dünnem Eis bewegte.
»Eine Viertel Million Schweizer Franken als Anzahlung für fünf Spender«, präzisierte er.
»Sie wissen doch so gut wie ich, wo die gelandet sind. Das hat ja wohl groß genug in den Zeitungen gestanden, da ist nichts mehr zu holen.« Sie setzte ihr Glas an die glänzendrot geschminkten Lippen. Ein Tropfen lief über ihre Unterlippe und blieb an ihrem Kinn hängen.
»Da müssen wir noch mal drüber reden. Im Moment interessiert mich nur eins: ich brauche umgehend drei neue Spender.«
»Ich muss sehen, was sich machen lässt«, immer noch hing der Tropfen unter Madames Kinn.
Eberhard Sieblich stand auf. Beim Abschied sparte er sich die sonst übliche Erkundigung nach Madames Gesundheitszustand.
Als er über den Steg ging, hatte er für einen Moment das Gefühl beobachtet zu werden. Wenn das Gespräch nun eine Falle war? Hatte Madame ihn damit ans Messer liefern wollen? Es war leicht, in dem Salon Mikrofone anzubringen. Sogar eine versteckte Kamera wäre ihm womöglich nicht aufgefallen. Er schlug sich an die Stirn. Prof. Dr. Eberhard Sieblich, der Mann, der es in kürzester Zeit geschafft hatte, aus einer auf der Streichliste des Gesundheitsministeriums stehenden hinterwäldlerischen Klinik das dritte Transplantationszentrum im Bundesland zu machen. Er schlug sich nochmals mit der flachen Hand an die Stirn, dass es klatschte. Wie konnte er nur so dämlich sein. Er würde von nun an weitaus vorsichtiger agieren.
*
»Wie spät ist es?«
»Du hast eine halbe Stunde geschlafen. Es ist bald elf.« Walde glaubte ein Grinsen in den Gesichtszügen seiner Kollegin erkennen zu können.
Stadler kam zum Wagen zurück. Sekunden später glitt Harry in den Fahrersitz und zog leise die Tür zu.
»Der Besucher ist schon wieder weg. Eine ältere Frau hat ihn an Deck gebracht. Ich hab’ seine Autonummer notiert.«
»Würdest du ihn wiedererkennen?«, fragte Monika.
»Dafür war es zu dunkel, man müsste Fotos mit einer Infrarotkamera machen können«, antwortete Harry.
*
Auf keinem der anderen Schiffe brannte Licht. Entweder schliefen die Leute oder die Boote wurden nur an Wochenenden in Betrieb genommen.
Stadler stieg als erster auf die stattliche Yacht mit der luxemburgischen Flagge und half Monika an Bord. Beide blieben am Bug stehen und warteten, bis auf ihr Klopfen reagiert wurde.
Die Kabinentür wurde geöffnet, ohne dass jemand erschien. Madame Goedert hatte anscheinend damit gerechnet, ihr Besuch sei nochmals zurückgekehrt. Es dauerte ein Weilchen, bis sie sich im edlen Hosenanzug zeigte und im spärlichen Licht zu erkennen versuchte, wer an Deck stand. Anfangs konnte sie ihre Überraschung nicht verbergen, hatte sich aber schnell wieder im Griff: »Oh, Herr Stadler, zu so später Stunde«, und nach einem Blick auf Monika. »In charmanter Begleitung! Wo haben Sie Ihr großes Boot gelassen oder sind Sie«, sie schaute über die Reling, »mit Ihrem privaten Schiff unterwegs?«
»Weder noch, Madame Goedert«, Stadler zog nervös seine Uniformjacke glatt: »Entschuldigen Sie die späte Stunde, meine Kollegin von der Landpolizei hätte da ein paar Fragen an Sie, wenn Sie gestatten. Sie würden uns einen großen Dienst erweisen, wenn Sie uns kurz zur Verfügung stehen könnten.«
Stadler hatte Monikas Namen vergessen, deshalb musste sie sich selbst vorstellen. An der Zeitspanne, die verging, bis Madame Goedert sie unter Deck
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