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Endstation Nippes

Titel: Endstation Nippes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Strobl
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haben?«, fragte Chantal, ohne die Augen von der Mattscheibe zu lösen.
    »Ist das ‘ne Macke von dir?«, fragte ich zurück.
    »Wieso?« Jetzt gönnte sie mir doch einen Blick.
    »Weil du mich immer wieder danach fragst. Okay, ich hab dir mal ‘ne Zigarette gegeben, aber das war ‘ne extreme Ausnahmesituation. Du bist zwölf, Chantal. Rauchen ist sowieso scheiße. Aber in deinem Alter ist es richtig schlimm. Weil du noch wächst. Weil sich bei dir alles noch entwickelt. Und das wird durch das Nikotin behindert.«
    Sie verdrehte die Augen gen Himmel.
    Ich wollte gerade aufstehen, da griff Marco nach dem Teddy. Nahm ihn vorsichtig mit beiden Händen hoch. Hielt ihn sich an die Wange. Rieb die Wange ein wenig an dem weichen Plüsch. Dann warf er ihn auf den Boden, beugte sich über ihn und sagte mit einer seltsam hohen Stimme: »Der Teddy ist böse. Der Teddy muss bestraft werden!«
    Chantal setzte sich ruckartig auf. Hotte zog die Luft ein.
    Marco stieß ein schrilles hämisches Gelächter aus. »Der Teddy muss seeehr bestraft werden!« Er zog die Beine hoch, als wollte er vermeiden, dass seine Füße den Teddy berührten.
    Und plötzlich kam eine Erinnerung in mir hoch, erst unscharf, dann immer deutlicher. Der kleine Walter war bei uns an seinem Geburtstag. Meine Mutter hatte ihm einen Teddybären geschenkt. Walter hatte sich artig bedankt, den Teddy mit den Armen umschlungen und an sich gedrückt. Dann hatte er ihn vor sich hingelegt und mit den Fäusten auf ihn eingeschlagen. »Was machst du denn, Jungchen!«, hatte meine Mutter entsetzt gerufen. »Der Teddy ist böse«, hatte Walter ihr ganz ernsthaft erklärt, »er muss bestraft werden.« Dann hatte er weiter auf das Plüschtier eingeprügelt.
    Ich lehnte mich zurück und schloss für einen Moment die Augen. Und nun fiel mir auch wieder ein, wie meine Mutter damals reagiert hatte.
    Ich setzte mich auf den Boden, nahm den Teddy in den Arm, streichelte ihn, drückte ihn an meine Brust, wiegte ihn und sagte schließlich leise: »Der Teddy ist nicht böse. Der Teddy ist überhaupt nicht böse. Der ist lieb, genau wie der Marco. Der Marco ist auch nicht böse. Der Marco ist ein ganz wunderbarer Junge. Den wir sehr lieb haben. Die Chantal hat den Marco total lieb und der Hotte und die Nele und ich auch.«
    Dann setzte ich den Teddy wieder auf das Sofa, ein Stückchen von Marco entfernt. Chantal langte nach ihm und strich ihm kurz über das Gesicht. Murmelte etwas, das ich nicht verstehen konnte. Dann warf sie mir einen extra bösen Blick zu.
    »Und dich hab ich auch total lieb, du dumme Nuss«, sagte ich, so cool ich es rausbrachte.
    Sie zuckte die Schultern. Dann grinste sie plötzlich breit und flötete: »Kann ich ‘ne Kippe haben?«
    Ich grinste zurück. Und hörte Marco kichern. Wir sahen ihn alle drei fassungslos an. Der Kleine hatte den Teddy an sich gedrückt, gluckste vergnügt und sagte schließlich, an niemand Bestimmten gerichtet: »Kann ich ‘ne Kippe haben?«

NEUN
    Ich wäre gern schon nach dem Kaffee zurück nach Köln gefahren, ich wollte nach Hause, genauer gesagt: Ich wollte nach den Kindern sehen. Aber die Jungs und meine Eltern mussten unbedingt noch eine Partie Rommé spielen. Und dann noch eine, wegen der Revanche. Und so weiter. Und dann meinte meine Mutter, wir könnten doch noch in Ruhe zu Abend essen. Vor der langen Fahrt! Ich verfluchte sie innerlich, aber mein Liebster und Bruderherz nahmen das Angebot dankend an. Klar, sie hätten sonst ja glatt verhungern können. Ich versuchte, Nele zu erreichen, bekam aber immer nur die Mailbox dran. Hinterließ eine Nachricht und schrieb ihr sicherheitshalber noch eine SMS . Dann versuchte ich es bei Hertha. Ließ es zehnmal klingeln und gab schließlich auf. Um neun Uhr abends fuhren wir endlich los. Ich hatte zu Hause noch immer niemanden erreicht. Langsam wurde mir mulmig. Ich sagte mir, wenn etwas passiert wäre, hätten Nele oder Hertha ja schließlich mich angerufen. Trotzdem wurde ich immer nervöser.
    Als wir auf die Autobahn abfuhren, klingelte endlich mein Handy. Eine äußerst vergnügte Nele teilte mir mit, sie, Hertha und die Kids hätten sich bei Hotte »Herr der Ringe – Teil 1« angeguckt. Und beschlossen, morgen mit »Herr der Ringe – Teil 2« weiterzumachen. Ob ich dann dazukommen wollte?
    Warum nicht, dachte ich, das würde mir vermutlich guttun.
    »Meinste, Stefan passt auch noch auf Hottes Sofa?«, fragte ich.
    »Guckt der so was?«, lästerte Nele.
    »Auch ambulante

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