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Endstation Nippes

Titel: Endstation Nippes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Strobl
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drehen?«
    »Du hast sie ja nich mehr alle! Ab in die Heia!«
    Chantal streckte ihm die Zunge raus, trollte sich aber wieder.
    »Wo schlafen die eigentlich?«, fragte ich.
    »Im Bett«, antwortete Hotte verlegen. »Ich schlaf aufm Sofa. Da passen die zu zweit nich drauf.« Hottes Sofa war, soweit ich das hatte sehen können, kein Ausziehsofa. Und es fühlte sich auch nicht wirklich bequem an. Meine Achtung vor ihm stieg.
    Ich hatte gehofft, er würde mir noch mehr erzählen, aber das konnte er nicht. Er wusste nicht mehr. Und ging davon aus, dass auch Chantal nicht mehr wusste. Wir besprachen noch, wie wir am nächsten Tag verfahren sollten, sobald ich Tina Gruber erreicht hätte. Sie könne zu ihm kommen, meinte Hotte – »aber alleine. Ich hab kein’ Bock aufn Pack Bullen in der Wohnung.«
    Das konnte ich ihm gut nachfühlen. Auf dem Heimweg drehte ich noch eine Runde um den Block, zur Belohnung schlief ich dann auch sofort ein.

ZEHN
    Als der Wecker um sechs Uhr klingelte, bereute ich die guten Vorsätze, die ich auf dem Nachhauseweg gefasst hatte, zutiefst. Ich war hundemüde. Also beschloss ich, die Meditation auf den Mittag zu verschieben oder auf wann auch immer ich die Sache mit Tina Gruber und den Kindern hinter mich gebracht hätte. Ich stellte den Wecker auf sieben und drehte mich auf die andere Seite. Eine Stunde später fühlte ich mich kein bisschen munterer, aber nun musste ich raus, ob ich wollte oder nicht.
    Rosa war auch dieser Ansicht. Sie lief mir zwischen die Beine und schnurrte und maunzte abwechselnd. Ich machte ihr das Essen zurecht, gab ihr ein Schälchen mit frischem Wasser, machte das Katzenklo sauber und stieg dann unter die Dusche. Da ich mich angesichts der Komplikationen, die mir bevorstanden, sicher und vor allem selbstsicher fühlen wollte, wusch ich mir auch noch die Haare. Ich schminkte mich sogar ein wenig und zog mein schönstes T-Shirt und den schwarzen Leinenrock an. Als ich mich anschließend im Spiegel betrachtete, kam ich mir so verkleidet vor, dass ich den Rock wieder aus- und stattdessen Jeans anzog.
    Ich verrichtete meine Gebete, bat Tara, mir heute ganz besonders beizustehen, Tina Gruber mit Weisheit auszustatten und Marco und Chantal zu beschützen. Dann machte ich noch einundzwanzig statt meiner üblichen dreizehn Niederwerfungen. Danach fühlte ich mich gestärkt für was auch immer auf mich zukommen mochte. Nach dem Frühstück ging ich an den Schreibtisch und machte mich an die Rechenaufgabe, die ich mir vorgenommen hatte. Das Honorar für mein letztes Feature war gerade – endlich! – auf meinem Konto eingetrudelt. Und der jährliche VG -Wort-Scheck musste dieser Tage ankommen. Über dieses Geld freue ich mich jedes Mal wieder, und jedes Mal wieder staune ich darüber, dass es mir zuteilwird. Ich bin es nämlich nicht gewohnt, etwas zu bekommen, ohne dass ich mich dafür anstrenge. Womit ich jetzt ausschließlich Geld meine. Ansonsten fühle ich mich ziemlich privilegiert. Ich habe seit einem guten halben Jahr einen Liebhaber, der in derselben Stadt wohnt, in vielem auf derselben Wellenlänge mit mir ist, kein Macho ist und trotzdem ein gestandenes Mannsbild. Eine höchst seltene Kombination, wie ich aus Erfahrung weiß. Ich habe wunderbare Freundinnen, auf die ich mich jederzeit verlassen kann. Ich habe einen großartigen Lehrer und die Dharma-Praxis, die er mich lehrt und die es mir langsam, aber zunehmend erleichtert, mit mir selbst und meiner Umwelt klarzukommen. Ich habe meinen Stubentiger oder besser gesagt meine Stubentigerin, die zärtlich an meinem Finger nagt und sich in meine Kuhle kuschelt, wenn ich mal wieder an der Welt verzweifle. Ich habe super klasse Eltern und einen großen Bruder, den ich manchmal in den Boden stampfen könnte, der mir aber notfalls immer aus dem Schlamassel hilft. Und ich habe einen Beruf, den ich über alles liebe, auch wenn es mir noch immer nicht gelungen ist, damit ausreichend Geld zu verdienen. Was will ich also bitte mehr?
    Mir wären da schon noch ein paar Sachen eingefallen, Urlaub zum Beispiel oder ein neuer Schreibtischstuhl, aber ich hatte gerade überhaupt keine Zeit für irgendwelche Überlegungen in diese Richtung. Ich musste meine Groschen zusammenhalten. Was ich auch tat. Dabei kam ich zu dem Schluss: Wenn das VG -Wort-Honorar in etwa so hoch ausfiel wie letztes Jahr und wenn meine Redakteurinnen wenigstens zwei der Themenvorschläge, die ich ihnen gemacht hatte, annahmen, dann konnte ich es mir leisten, mich

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