Endstation Oxford
lächelte ihr zu. Sie stand allein und etwas irritiert mit ihrem leeren Champagnerglas neben einem riesigen Gesteck aus weißen Lilien und rosafarbenen Rosen, neben dem sie sich fast zwergenhaft ausnahm. »Ich kann mir Gesichter leider nicht sehr gut merken«, sagte sie. »Wie war noch Ihr Name?«
»Peter Hume«, antwortete er geduldig.
»Aber natürlich. Wirklich sehr nett! Ich heiße Adela Carston und bin eine alte Freundin von Estelles Vater Matthew. Wir haben uns während des Krieges kennengelernt, als wir noch sehr jung waren. Ich kann mich noch genau erinnern. Bomben wurden über London abgeworfen, und Matthew sah in seiner Uniform ungeheuer fesch aus.« Es war so viel einfacher, sich an die Ereignisse von damals zu entsinnen, als sich die letzten vierundzwanzig Stunden ins Gedächtnis zurückzurufen. »Ich bin mit Muriel Rooke aus Oxford gekommen. Muriel ist, soviel ich weiß, eine entfernte Verwandte der guten Estelle. Wir haben uns ein Taxi geteilt, damit es nicht zu teuer wird. Später kommt mein Enkel und fährt uns wieder heim.«
»Na, dann ist ja alles geregelt«, meinte Peter und lächelte sie wohlwollend an.
»Könnte es sein, dass mir jemand erzählt hat, dass Sie beruflich mit Büchern zu tun haben?«, erkundigte sich Adela mit leichtem Zögern und ein wenig unsicher, ob sie den Richtigen ansprach.
»Ja, das stimmt. Allerdings schreibe ich nicht, sondern ich kaufe und verkaufe.«
»Ach wirklich? Mein Mann war äußerst bibliophil.«
»Interessant.«
»Wissen Sie, ich bin nicht mehr die Jüngste«, begann Adela. Sie bemühte sich redlich, auf den Punkt zu kommen, aber ehe sie den Kern ihres Problems ansprechen konnte, stand plötzlich Estelle in einem Traum in Rot auf der obersten Treppenstufe.
»Jetzt müssen Sie mich leider entschuldigen. Meine Ehefrau scheint mich zu brauchen.« Und mit einem weiteren Lächeln ließ Peter sie stehen.
Obwohl Peter Adela Carston im Laufe der folgenden Stunde völlig vergaß, blieb das unbestimmte Gefühl, dass ihm etwas Wichtiges durch die Finger zu gleiten schien.
»Hallo? Brauchen Sie Hilfe? Warten Sie, ich besorge Ihnen einen Stuhl.«
Adela konnte sich nicht erinnern, wo sie sich befand. Hatte sie nicht eben noch mit einem netten jungen Mann gesprochen, dessen Name ihr schon wieder entfallen war? Jetzt aber fühlte sie sich ein wenig schwindelig und bemerkte, dass sie sich an einen kleinen Tisch klammerte.
»Hier, bitte. Setzen Sie sich erst einmal. Soll ich Ihnen ein Glas Wasser bringen?«
»Schon gut, Liebes. Es war nur die Aufregung. Ich bin ein bisschen müde, aber gleich geht es wieder.« Eine junge, blonde Frau beugte sich über sie und bot ihr den Arm als Stütze, damit sie sich setzen konnte. »Gerade habe ich mit jemandem gesprochen. Ich glaube, es war der junge Mann, der Estelle geheiratet hat. Ich habe ihm von meinem Freund Matthew erzählt, und wie wir im Krieg miteinander tanzen gingen. Der junge Mann war sehr nett, aber ich habe leider seinen Namen vergessen.«
»Er heißt Peter Hume. Und mein Name ist Kate«, stellte die junge Frau sich vor. »Sie wirkten gerade ein bisschen verloren. Sind Sie mit jemandem hier? Ich könnte die betreffende Person suchen gehen.«
»Mein Enkel kommt mich abholen. Und irgendwo muss auch meine Freundin Muriel sein. Sie wollte nur kurz ins Bad. Ist Estelle schon in die Flitterwochen gestartet?«
»Ja, vor ein paar Minuten.«
»Ach, sehen Sie, da ist ja mein Enkel.« Adela winkte einem großen, stämmigen Mann Mitte dreißig zu, der draußen stand und fröhlich zurückwinkte, ehe er durch den Garten auf sie zukam.
»Dann kann ich Sie jetzt sicher allein lassen, nicht wahr?«
»Oh ja, alles in Ordnung. Und vielen Dank.«
Als Austin auf die Eingangstür zuging, entdeckte er seine Großmutter, die drinnen im Flur auf einem Stuhl saß und mit einer jungen Frau sprach, die grüne Manolo Blahniks trug. Er winkte, um auf sich aufmerksam zu machen.
»Hallo Omi«, rief er Adela lächelnd zu. »Du siehst ja umwerfend aus!«
»Oh Austin, du Filou!« Er glaubte, sie erröten zu sehen. »Darf ich dir eine neue Freundin vorstellen?« Leider hatte sie den Namen der Freundin schon wieder vergessen. Die junge Frau hob grüßend die Hand und verschwand mit einem Lächeln in der Schar der Gäste.
»Hattest du einen schönen Tag?«, erkundigte sich Austin.
»Wunderbar, Schatz. Und das Essen war einfach großartig.«
»Auf dem Heimweg musst du mir alles ganz genau erzählen.«
»Ich habe viele interessante Leute
Weitere Kostenlose Bücher