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Endstation Oxford

Endstation Oxford

Titel: Endstation Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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sollte.
    Myles war aufgestanden, um einen Toast auf die Braut auszubringen, doch Charley gebärdete sich so laut, dass sich alle Köpfe in seine Richtung wandten. Als Charley merkte, dass die allgemeine Aufmerksamkeit inzwischen ausschließlich ihm galt, kam er mühsam auf die Beine und grölte zum Tisch des Brautpaars hinüber:
    »Ja, genau um dich geht es, beschissener Mister Hume. Wie sagen deine früheren Freunde noch zu dir? Betrügerischer Mistkerl!« Beim letzten Satz geriet er ins Schwanken. Ein paar seiner Freunde nutzten die Gelegenheit, um ihn an den Armen zu packen und fortzuziehen. Doch Charley schüttelte sie schnell wieder ab.
    »Halt den Mund und setz dich, Charley!«, brüllte Myles ihn an.
    »Betrügerischer Mistkerl!«, rief Charley erneut.
    »Wer zum Teufel hat den eingeladen?«, fragte Tim. »Jeder weiß doch, dass er sich sofort besäuft, wenn es irgendwo umsonst Alkohol gibt.«
    »Ist seine Mutter nicht eine gute Freundin von Esmée?«
    »Die beste Freundin sogar. Charleys Mutter ist Estelles Patin.«
    »Seht nur, er steigt auf den Tisch«, sagte Kate. Gläser zersplitterten, und Einwegkameras knirschten unter Charleys Schuhen.
    »Wie unangenehm!«, ereiferte sich Frances Akin. »So etwas erlebt man wirklich nicht gern bei einer Hochzeit.«
    »Jemand sollte ihn da runterholen«, meinte Ben.
    »Und ihm Manieren beibringen«, fügte Frances mit strenger Stimme hinzu.
    »Der Mann ist betrunken«, sagte Edgar. »Einem Betrunkenen kann man beim besten Willen nichts beibringen.«
    »Was hat er bloß?«, fragte jemand am Nachbartisch.
    »Er kann Estelles Mann nicht ausstehen.«
    »Ich dachte, er giftet den Trauzeugen an.«
    »Ist es nicht ein bisschen spät, Einwände gegen Peter zu erheben?«
    »Und warum sollte er Myles auf dem Kieker haben?«
    Niemand machte sich die Mühe, leise zu sprechen. Myles hatte seine Absicht, eine Rede zu halten, längst aufgegeben. Ein paar Freunde bemühten sich, Charley doch noch vom Tisch zu zerren. Schließlich schafften sie es sogar. Er bekam kaum noch einen zusammenhängenden Satz heraus. »Nehmt eure dreckigen Finger weg!«, hörten ihn die Gäste noch schimpfen und: »Betrügerischer Mistkerl!«, während er begleitet vom Scheppern fallenden Bestecks und zerbrechender Teller aus dem Zelt gebracht wurde.
    »Ich glaube kaum, dass Estelle ihn seit der Kinderzeit oft gesehen hat«, vermutete Tim. »Wenn sie geahnt hätte, was aus ihm geworden ist, hätte sie seinen Namen sicher von der Gästeliste gestrichen.«
    »Der Mann ist maßlos«, urteilte Frances, deren lange, dünne Hände von einem Leben voller Selbstverleugnung erzählten.
    Kate warf einen Blick zum Tisch des Brautpaars. Estelle und ihre Mutter taten, als wäre nichts geschehen. Matthew Livingstone starrte stumm in sein Weinglas. Er schien nachzurechnen, was ihn das zerbrochene Geschirr kosten würde. Myles’ Gesicht war rot vor Verlegenheit. Und Peter wirkte ebenso hilflos wie sein Bruder.
    Man bat um Ruhe. Matthew Livingstone, der wieder alles unter Kontrolle zu haben schien, stand auf, brachte einen Toast auf das Brautpaar aus und hielt eine kurze Ansprache über die Tugenden seiner Tochter.
    Leider hatte die kleine Portia eine klare und ziemlich laute Stimme. Mitten in die Rede hinein platzte ihre Frage: »Mami, was ist ein betrügerischer Mistkerl?«, so dass alle es hören konnten. Matthew bemühte sich, das leise Lachen der Gäste zu ignorieren.
    »Diesem Kind sollte jemand die Leviten lesen«, zischte Frances. »Die Kleine ist viel zu altklug.«

4
    Austin Brande war etwa zwanzig Minuten zuvor eingetroffen, um seine Großmutter und deren Freundin Muriel nach Oxford zurückzufahren. Schnell stellte er fest, dass die Feier sich zwar ihrem Ende zuneigte, aber noch nicht vorüber war. Er beschloss, den beiden alten Damen noch einen netten Abschluss des Festes zu gönnen und schlenderte durch den Garten. Vielleicht war ja irgendwo noch ein Gläschen für ihn übrig. Auf der Rückfahrt würden sie einander noch lange genug auf der Pelle hocken. Er liebte Adela wirklich, doch ihr manchmal etwas weitschweifiges Gerede ging ihm nach einer Weile meist auf die Nerven.
    Er entdeckte die Bar, bestellte ein Glas Whisky und schlürfte es genüsslich am Zelteingang. Dabei sah er amüsiert zu, wie ein völlig betrunkener Gast wüste Beleidigungen gegen Braut und Bräutigam ausstieß, ehe seine Freunde ihn endlich fortbringen konnten. Sie schleppten ihn an die Bar und bestellten ihm ein großes Glas Wasser und

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