Endstation Oxford
einen Kaffee. Es wäre besser, dachte Austin, wenn er sich hinlegen würde, bis das Schwindelgefühl aufhört.
Als das Grüppchen an ihm vorüberkam, hörte er einen der Männer sagen:
»Was zum Teufel ist bloß in dich gefahren, Charley?«
»Warum hat sie ihn geheiratet?«, jammerte Charley. »Wieso ausgerechnet ihn?«
»Wahrscheinlich, weil sie ihn liebt.«
»Unmöglich! Der Kerl ist ein absolutes Ekelpaket.«
»Ach was. Er ist ein ganz normaler Mann«, beschwichtigte ihn sein Freund.
»Betrügerischer Mistkerl«, knurrte Charley.
»Schon gut, Charley, vergiss es. Jetzt bringen wir dich erst einmal nach Hause. Andy nimmt deinen Wagen, ich fahre mit meinem hinterher.«
Nachdem sie Charley dazu gebracht hatten, ein wenig Wasser zu sich zu nehmen und den Kaffee zu trinken, schleppten sie ihn zu den geparkten Autos.
Eine Frau in einem grünen Kleid trat aus dem Zelt und blickte dem Grüppchen nach. Sie sah aus wie eine Mutter, die von ihren Kindern in aller Öffentlichkeit stehen gelassen worden war. Nach einigen Sekunden wandte sie sich wortlos ab und kehrte ins Festzelt zurück.
Haus und Garten haben wirklich Stil, dachte Austin. Das Anwesen lag in den Chilterns, nicht weit von den Autobahnen nach London und Oxford entfernt, und sah nicht nur hübsch aus, sondern war auch sehr gepflegt. Im Augenblick stagnierte der Markt, und die Preise waren niedrig, aber in ein, zwei Jahren könnte man mit einem Verkauf wahrscheinlich ein Vermögen machen. Schon allein die Größe des Festzelts! Austin schätzte, dass mindestens hundertfünfzig Gäste darin Platz gefunden hatten. Und die Getränke waren so großzügig bemessen, dass sogar für unvorhergesehene Gäste wie ihn genügend vorhanden war. War Adela mit dieser Familie verwandt? Er glaubte es nicht. Soweit er sich erinnerte, hatte sie erzählt, dass sie früher eng mit dem Brautvater befreundet gewesen war. Schade eigentlich.
In seiner Jugend hatte er sich das Ziel gesetzt, mit Erreichen seines jetzigen Alters die erste Million in der Tasche zu haben. Leider hatte das nicht geklappt. Während er sich auf dem Anwesen eines Menschen umsah, bei dem es offenbar besser gelaufen war, konnte er sich eines Anflugs von Neid nicht erwehren. Wahrscheinlich hatte der Eigentümer längst seine zweite oder dritte Million in Angriff genommen. Aber natürlich machte es keinen Sinn, über den Ist-Zustand zu lamentieren. Austin würde seine Pläne keinesfalls aufgeben. Er schob sie nur einfach für einige Monate nach hinten.
Nachdem er eine Runde durch den Garten gedreht und das Haus von außen bewundert hatte, stellte Austin sein leeres Glas ab und sah nach, ob noch etwas zu essen übrig war. Die Gäste hatten die Reste ihres Mittagessens im Zelt zurückgelassen und standen für ein letztes Glas an der Chinesenhut-Bar Schlange oder bedienten sich bei einem vorüberkommenden Kellner. Austin fand eine Servierplatte mit köstlichen Lachsschnittchen. Er nahm gleich die ganze Platte mit auf seine Besichtigungstour und stärkte sich alle paar Meter mit einem Schnittchen.
Eine Horde Kinder tobte aus dem Zelt heraus. Die Jungen und Mädchen genossen es, endlich nicht mehr brav an den Tischen sitzen zu müssen. Die älteren Gäste hatten sich über den Rasen verteilt. Sie sahen ein wenig müder und zerknitterter aus als bei ihrer Ankunft. Die Gesichter der Frauen glänzten nach dem üppigen Essen, die Männer lockerten einer nach dem anderen ihre Krawatten und öffneten den obersten Hemdknopf. Irgendwo weiter hinten im Garten war ein lautes Scheppern zu hören: Zwei Kinder hatten einen Kellner umgerannt, der ein Tablett mit leeren Gläsern in die Küche bringen wollte. Zeit, die Veranstaltung zu beenden, dachte Austin. Schon begaben sich die ersten Gäste Richtung Eingangshalle, um Estelle zuzusehen, die in einem eleganten Nachmittagskleid die Treppe herunterschwebte, um sich unten mit ihrem Ehemann zu treffen. Die Limousine mit Chauffeur wartete bereits auf das Paar.
Austin brachte das leere Tablett ins Zelt zurück und folgte den Gästen interessiert. Er erkannte die Brauteltern. Der hochgewachsene, schlanke Mann, der sicher schon Mitte achtzig war, stand neben seiner eleganten und mindestens zwanzig Jahre jüngeren Frau. Neben den beiden wartete eine ältere Dame mit einem jüngeren Mann. Mutter und Sohn, dachte Austin, wahrscheinlich Mutter und Bruder des Bräutigams. Beide schienen aus bescheidenen Verhältnissen zu kommen, außerdem fühlte sich die Frau durch die elegante
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