Endstation Oxford
Familienstreit war, wissen die beiden vielleicht, um was es ging und wohin Estelle verschwunden sein könnte. Möglicherweise löst sich die ganze Sache dann sehr schnell in Wohlgefallen auf.«
»Sicher nicht. Ich halte das für keine gute Idee.«
»Was ist daran nicht gut?«
»Ich fürchte, es bringt mehr Schaden als Nutzen, wenn du in Peters Familienangelegenheiten herumstöberst. Und woher willst du überhaupt wissen, wie Myles auf eine solche Einmischung reagiert? Hast du bei der Hochzeit mit ihm gesprochen?«
»Nein.«
»Nun, er wird wohl kaum mit einer völlig Fremden über das Familienleben seines Bruders reden.«
Dem konnte Kate kaum widersprechen. »Aber vielleicht weiß seine Frau mehr als die beiden Männer.«
»Estelle macht mir nicht den Eindruck, als hielte sie gern ab und zu bei Kaffee und Kuchen ein Schwätzchen mit ihrer Schwägerin.«
»Aber ich muss etwas tun, um sie zu finden, sonst werde ich noch verrückt. Gleich morgen früh mache ich einen Plan.«
»Morgen? Ich dachte, du bereitest das Gästezimmer für den Besuch von Craig vor, denkst dir ein paar ausgesuchte Gerichte aus und gehst zum Covered Market , um die Zutaten zu kaufen.«
»Frische Handtücher hinzuhängen und ein kurzer Einkaufstrip kosten mich höchstens eine Stunde. Aber danach konzentriere ich mich darauf, meine Agentin ausfindig zu machen.«
»Eine Sache wundert mich allerdings«, sagte Jon plötzlich nachdenklich.
»Was denn?«
»Wenn Estelle tatsächlich freiwillig mit diesem mysteriösen Unbekannten weggegangen ist, hätte sie nicht ihre Autoren wissen lassen, dass sie ein paar Tage nicht erreichbar ist?«
»Ganz genau. Das ist eine der Fragen, die mir Kopfzerbrechen bereiten.«
12
Am folgenden Morgen war Kate gerade dabei, den starken italienischen Kaffee aufzubrühen, den sie so liebte, als Jon sagte: »Ich habe mit Craig telefoniert. Er kommt am Nachmittag an, und zwar über Paddington.«
Kate brauchte zehn Minuten, um das Gästezimmer vorzubereiten. Dann machte sie sich auf den Weg in die Stadt und kaufte ein. Eine Stunde später hatte sie alles erstanden, was sie brauchte, plus eine kurzärmelige seidene Strickjacke in einem warmen Goldton.
Um elf kam ein höflicher Anruf von Craig Jefferson, der ihr mitteilte, er nähme einen Zug, der um fünfzehn Uhr fünfzig in Oxford eintreffe. Kate bot ihm an, ihn am Bahnhof abzuholen, doch er meinte, er wolle ihr keine Unannehmlichkeiten bereiten, zumal er wisse, dass sie zu Hause arbeite und Unterbrechungen bestimmt nicht schätze.
»Das stimmt nur teilweise«, wandte Kate ein, doch er bestand darauf, ein Taxi zur Cleveland Road zu nehmen.
Es galt also, noch vier Stunden totzuschlagen. Da Kate nicht weiterarbeiten konnte, solange Estelle nicht zurück war, rief sie noch einmal bei Peter an.
»Gibt es etwas Neues?«, erkundigte sie sich.
»Nein.«
»Kein Wort von Estelle?«
»Nichts.«
»Und auch keine SMS mit so etwas wie … na ja, einer Aufforderung, Geld zu zahlen?«
»Nein.« Dieses Mal kam die Antwort schnell und verärgert.
»Haben Sie etwas unternommen, um sie zu finden?«
»Wollen Sie wissen, ob ich mit der Polizei gesprochen habe?«
»Genau.«
»Natürlich habe ich das nicht getan.«
Kate war entschlossen, sich nicht abwimmeln zu lassen. »Was ist mit den beiden Einbrüchen? Sind Sie wirklich ganz sicher, dass sie nichts mit Estelle zu tun hatten? Erzählen Sie mir darüber.«
»Was wollen Sie? Miss Marple spielen?«
»Ich spiele überhaupt nichts. Ich versuche nur, meine Agentin zu finden, ehe eine weitere Woche ins Land geht. Also erzählen Sie schon von den Einbrüchen.«
»Na schön.« Peter seufzte. »Einer war bei uns zu Hause, der andere in Estelles Büro. Es ist absolut nicht verschwunden, deshalb waren wir der Meinung, dass vielleicht Jugendliche dahinterstecken, die schon mal für später üben wollten.« Er stieß ein wenig überzeugendes Lachen aus.
»Wann war das genau?«
»Bei uns zu Hause wurde eingebrochen, als wir im Weihnachtsurlaub waren. Wir haben es bei unserer Rückkehr festgestellt.«
»Und der zweite Einbruch?«
»Vor ungefähr zehn Tagen hatte Estelle den Eindruck, dass jemand in ihrem Büro gewesen war. Aber die beiden Vorfälle können eigentlich nichts miteinander zu tun haben.«
»Ich will sämtliche Einzelheiten wissen«, forderte Kate mit fester Stimme. »Fangen Sie mit dem Tag an, als Sie aus dem Urlaub zurückgekommen sind.«
»Meine Arbeit tut sich nicht von selbst«, protestierte Peter. »Ich kann
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